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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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verfluchten Teil von mir auszumerzen.«
    Jaro erschrak über meine drastische Wortwahl. »Was hast du gemacht?«
    »Ich habe genau das getan, was deine Mutter bei dir versucht hat. Ich habe mich einsperren lassen.«
    »Aber wer -?«
    »Meine Großmutter.«
    »Der General?«
    Ich hatte schon fast vergessen, wie sie überall genannt wurde. »Der General, ja. Ich musste ihr nichts erklären, schließlich hatte sie meinen Vater geboren. Aber ich war sehr wütend, als ich erfuhr, dass sie es die ganze Zeit vor mir verheimlicht hatte. Ich habe mir vorgestellt, das Ganze wäre wie eine Sucht. Und wenn man mich daran hindern würde, dieser Sucht nachzugeben, wenn man mich einsperrte und daran hinderte, mich zu verwandeln, wäre ich irgendwann davon kuriert.«
    Jaro nickte stumm.
    »Aber wie du siehst, hat es nicht geholfen.«
    Ich plusterte mein Gefieder auf und machte es mir gemütlich. Das alles war schon so lange her, dass mich der Gedanke an diese furchtbare Zeit nicht mehr erschreckte. Ich betrachtete es abstrakt, wie die Geschichte eines Fremden.
    »War es so wie bei mir? Wie bei meiner Mutter?«
    »Ungefähr. Nur, dass ich meine Großmutter dazu gezwungen habe es zu tun. Sie musste mir versprechen durchzuhalten, egal, wie sehr ich sie anflehen würde mich freizulassen. Und weiß Gott - ich habe sie angefleht! Ich dachte, ich würde wahnsinnig werden.«
    »Und was passierte dann?«
    »Der General hat sein Versprechen gebrochen. Sie konnte es einfach nicht mehr ertragen.«
    »Du warst bestimmt stinksauer.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es ging mir sehr schlecht, ich wollte nur noch sterben. Und es war mir egal, in welcher Gestalt ich sterben würde, wenn es nur endlich vorbei wäre.«
    »Mann, ich bin echt froh, dass du mich da rausgeholt hast!«
    »Es tut mir leid, dass es überhaupt so weit kommen musste. Ich verstehe deine Mutter, sie liebt dich und möchte dir dieses Schicksal ersparen, aber das war nicht der richtige Weg. Ich hätte vernünftig mit ihr darüber sprechen sollen.«
    »So ein Quatsch. Was gibt es da noch zu reden?«
    »Wahrscheinlich wäre mir mit fünfzehn auch nicht besonders viel eingefallen, worüber man noch reden sollte.«
    »So alt bist du nun auch wieder nicht!« Er klang beleidigt.
    »Nur schlappe dreizehn Jahre älter!«
    »Willst du damit sagen, du könntest mein Vater sein?«
    »Ganz gewiss nicht!«
    »Na dann bin ich beruhigt!«
    »Gott - du bist ja noch schlimmer als dein Bruder!« Ich stieß ihn in die Seite.
    »Hast du was anderes erwartet?«
    »Nein.«
    »Was meinst du, tobt sie jetzt vor Wut?«
    »Deine Mutter? Ich denke eher, dass sie sich Sorgen macht. Wahrscheinlich ist sie wütend auf mich. Aber sie kann auch nicht wissen, welche Qual es bedeutet, in diesem menschlichen Körper gefangen zu sein. Sie weiß nicht, wie sinnlos es ist zu kämpfen, wenn man es gar nicht selber möchte.«
    »Aber du wolltest dagegen ankämpfen.«
    »Damals habe ich es getan. Aber manchmal entwickeln sich die Dinge eben anders, als man sich das vorstellt.«
    »Allerdings!«, Jaro schnarrte wütend. »Mir wäre es auch lieber, ich könnte mit Pavel zusammen beim Schwarm leben.«
    »Wahrscheinlich hättest du dich gar nicht verwandelt, wenn dein Bruder nicht gestorben wäre.«
    »Aber wie soll das denn gehen? Pavel hat mir gesagt, es läge einfach in seinem Blut. Aber wir haben doch dasselbe Blut, wir sind schließlich Brüder.«
    »Aber wir sind alle eine Ausnahme unserer Generation. Sergius zum Beispiel hat sechs Brüder, und keiner von ihnen hat sich verwandelt. András hat in Ungarn noch acht Geschwister, nur Raban ist ein Einzelkind.«
    »Und du? Hast du noch Brüder?«
    »Nur drei jüngere Schwestern.«
    »Oh Gott, du Armer! Ich würde mich erschießen!«
    »Wir sind nicht zusammen aufgewachsen, also gab es keinen Grund für einen Selbstmord.« Ich konnte nicht verhindern, dass Jaro die Wehmut in meinen Augen sah.
    »Sind deine Eltern geschieden?«
    »Mein Vater ist gestorben, als ich sechs war. Und meine Mutter ist nach seinem Tod ins Ausland gegangen - nach Österreich. Sie hat meine Schwestern mitgenommen.«
    »Und dich nicht?«
    »Mich hat sie beim General gelassen.«
    »Aber -«
    »Nichts aber«, unterbrach ich ihn. »Du wirst selbst die Gelegenheit bekommen festzustellen, dass nicht alle Menschen ertragen können, was wir sind.«  
    Jaro beäugte mich misstrauisch. »Sie hat dich einfach so sitzen lassen?«
    »Ob es so einfach war, kann ich nicht beurteilen. Jetzt lass uns nicht mehr davon

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