Rabenblut drängt (German Edition)
und seine Frau hatte sich erschrocken zur Zimmerwand gerettet.
Ich stürzte auf meinen besten Freund zu, und ohne abzuwarten, schlug ich ihm mit voller Wucht die Faust ins Gesicht. Er krachte gegen den Tisch und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten.
Unbeholfen tastete er nach seinem Kinn und würgte nur ein Wort hervor. »Wow!«
Ich war ebenso sprachlos.
»Du - du Schwein!«, brüllte ich ihn an.
Er machte einen debilen Eindruck, weil er plötzlich grinste.
»Nicht schlecht!«, sagte er und nickte anerkennend. »Ich dachte schon, du wärst so lange fortgeblieben, um dich abzureagieren.«
»Das habe ich auch versucht«, keuchte ich. »Warum hast du das getan?«
»Willst du dir nicht erst mal was anziehen, bevor wir das diskutieren?«
»Das ist doch jetzt völlig gleichgültig!«
»Katharina, Liebling«, wandte er sich an seine Frau, »vielleicht würdest du uns einen Augenblick alleine lassen?«
»Jetzt, wo es gerade interessant wird? Im Leben nicht!«
»Katha!«
»Ist ja schon gut.« Sie hielt sich demonstrativ die Hand vor die Augen. »Ich habe nichts gesehen«, sagte sie und schlich aus dem Zimmer.
»Hier!« Nikolaus zog eine Hose aus dem Schrank und warf sie mir zu. Mit fahrigen Händen versuchte ich, sie mir über die Beine zu ziehen.
»Wieso, Niki?« Ich zerrte an dem Reißverschluss.
»Ich habe dir doch gesagt, du brauchst ein wenig Kriegsbemalung, damit du in Stimmung kommst.«
»Das ist doch nicht dein Ernst!«
»Natürlich, verdammt noch mal! Ich will, dass du aufhörst, dich zu verkriechen. Steh endlich dazu, was du bist! Du tust ja gerade so, als wärst du ein Monster!«
Ich schüttelte verständnislos den Kopf. »Und deshalb hast du mir ein Mal verpasst, das jeder sehen kann? Warum hast du es mir nicht gleich auf die Stirn tätowieren lassen?«
»Ich habe kurz daran gedacht, aber ich wollte dein hübsches Gesicht nicht verschandeln.«
Ich musste an mich halten, um ihm nicht an die Gurgel zu springen.
»Außerdem«, polterte Niki weiter, »Was sollte die Nummer, dass du dich einfach so verwandelst? Was glaubst du, was ich dem Typen erzählen durfte? Der dachte, ich hätte ihm was in den Kaffee gerührt. Mann, der ist voll ausgeflippt!«
»Du - du bist - unglaublich! Ich bin wirklich fassungslos!« Ich wusste genau, dass er mich nur angriff, um sich selbst zu verteidigen. Seine körperlichen Reaktionen sprachen Bände.
Er raufte sich das Haar. »Ich weiß, dass es nicht richtig von mir war, aber zum Teufel, jetzt wehr dich endlich einmal!«
»Aber das liegt mir nicht. Ich hasse Gewalt!«
Nikolaus bekam runde Augen und rieb sich auffällig das malträtierte Kinn. »Ja, das habe ich gemerkt! Deine pazifistische Einstellung hast du eben klar und deutlich zum Ausdruck gebracht.«
Gegen meinen Willen musste lachen. »Ich wollte dich gar nicht schlagen. Verzeih mir!«
»Hör bloß auf, um Verzeihung zu bitten! Mein Gott, du solltest dich nicht dafür schämen, was du bist. Du solltest stolz auf dich sein! Ich will, dass du für dich kämpfst. Dafür, dass du als Mensch glücklich wirst. Du kannst mir nicht erzählen, dass es dir reicht, als Rabe zu leben!«
»Ich will mich doch gar nicht verstecken! Aber hast du vergessen, dass es jemand darauf abgesehen hat, uns alle zu töten? Weißt du, wie gefährlich es ist, wenn man erfährt, aus welchen Familien wir kommen? Viele von uns haben kleine Geschwister, möchtest du die etwa auch auf der Abschussliste sehen? Wenn wir schon nicht wissen, wie die Weitergabe unseres Rabenblutes funktioniert, dann kann es unser Feind erst recht nicht wissen. Er würde versuchen, alle zu vernichten, egal ob es sich um ein kleines Kind oder um einen erwachsenen Mann handelt. Noch weiß er nicht, wer alles zu unserem Schwarm gehört. Noch sind die anderen sicher.«
Nikolaus nickte langsam. »Aber ich möchte, dass du glücklich bist, verdammt!«
»Und deshalb gehst du so weit?«
»Ich würde noch viel weiter gehen. Ich würde noch viel mehr tun, damit du mir noch einmal so eine reinhaust! Das war echt beeindruckend!«
»Ich kann aber mein Glück nicht auf dem Risiko aufbauen, anderen zu schaden. Das war eine völlig idiotische Aktion von dir. Du hättest mit mir sprechen können!«
»Du hättest niemals auf mich gehört. Seitdem Nathalie dich so abserviert hat, hast du überhaupt kein Vertrauen mehr in dich selbst.«
»Das hat mit Selbstvertrauen überhaupt nichts zu tun! Ich bin einfach nur realistisch. Nathalie hat mich nicht so sehr
Weitere Kostenlose Bücher