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Rabenbrüder

Rabenbrüder

Titel: Rabenbrüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Ein Mafia-Mord hier in Mainz!«
    »So?« fragte die Mutter teilnahmslos, und ehe Paul die Sprache auf etwas anderes bringen konnte, fuhr der Trauerkloß fort: »Ausgerechnet den netten Heiko Sommer hat’s erwischt! Wenn das nicht zum Himmel schreit! Erst neulich haben wir unsere Silberhochzeit in der >Wildgans< gefeiert.«
    Paul beobachtete seine Mutter scharf. Im Laufe der Jahre hatte sie wohl ihre Fähigkeit zur Verstellung derartig perfektioniert, daß sie sich auch in einer brisanten Situation keine Blöße gab.
    »Wir waren auch ein paarmal dort, mein Mann war von der erstklassigen Küche tief beeindruckt«, sagte sie. »An den Besitzer kann ich mich allerdings nur vage erinnern.«
    Wider Willen mußte Paul seine Mutter bewundern: Ganz Dame in Weiß, die Unschuld in Person. Mit beschützender Geste legte er den Arm um ihre Schultern und brachte dann den Bestatter nach draußen.
    Ein Adonis
    Eigentlich hatte Annette gehofft, daß man weniger Umstände machen und den gebrochenen Unterarm nicht erneut röntgen würde. »Sieht gut aus«, sagte der Chirurg, »noch drei Wochen Ruhigstellung!«
    Eine abnehmbare Gipsschale wurde angepaßt, die kleine Splitterverletzung ein letztes Mal versorgt. Leider mußte die unbequeme Halskrause noch mindestens vier Tage lang getragen werden. Schließlich half ihr eine Schwester in die Kleider, und Annette verabschiedete sich vom Krankenhauspersonal. Sie suchte nach Markus, der aber gerade in einer Besprechung war. Kurz hatte sie überlegt, ob sie ihm etwas von ihrer nächtlichen Begegnung mit Olga verraten sollte, denn sie hatte große Lust, der falschen Freundin eins auszuwischen. Aber wie sollte sie ihre eigene Anwesenheit in seinem Dienstzimmer rechtfertigen?
    Achim saß im Warteraum und las. Als Annette auftauchte, sprang er hoch. »Hallo Kleines, siehst ja wie neugeboren aus!« Er übernahm die Plastiktüte mit dem Kulturbeutel und den Nachthemden und hielt ihr die Wagentür auf; Annette strich über den goldbraunen Lack und sagte: »Ich vermute mal, das ist ein Toyota?«
    »Richtig«, sagte Achim, »genauer gesagt ein Corolla
    Verso mit 135 ps ; gibt es auch als Diesel mit 90 ps . Paul könnte diesen Vorführwagen günstig haben.«
    »Wie geht es eurer Mutter?« fragte Annette. »Als ich gestern mit ihr sprach, wirkte sie ziemlich cool. Aber sie wird trotzdem froh sein, ihre Söhne um sich zu haben.«
    Auf ihn könne sie locker verzichten, meinte Achim, aber Paul halte sie für unentbehrlich. Das sei schon immer so gewesen.
    Annette mußte grinsen. »Da habe ich allerdings ganz anderes zu hören bekommen. Paul meint, daß du von Geburt an Mamas Herzblatt warst!« Dann bat sie darum, noch bei ihr zu Hause vorbeizufahren, weil sie sich umziehen und ein paar Klamotten einpacken wolle.
    Es sei ihm ein Vergnügen, sagte Achim, im übrigen irre sich Paul. »Unsere Eltern haben mich immer für einen Trottel gehalten, dem sie überhaupt nichts zutrauten. Mein Bruder war der Kluge, der Philosoph, das halbe Genie. Ich war das kleine Dummerle, unbedacht und hilflos ohne ihre Unterstützung. Glaubst du etwa, das hätte mir gutgetan?«
    Ein wenig scherzhaft versuchte Annette, die heftigen Emotionen des Schwagers in ruhigere Bahnen zu lenken. Er wäre das netteste kleine Dummerle, das sie kenne. Und außerdem ein attraktiver und sensibler Mann, auf den seine Mutter bestimmt sehr stolz sei.
    Erwartungsgemäß hatte Paul das Wohnzimmer und die Küche nicht besonders ordentlich hinterlassen; hoffentlich würde sich die Haushaltshilfe erbarmen und nicht nur putzen, sondern auch aufräumen. Annette verschwand im ungelüfteten Schlafzimmer, pellte sich mühsam aus ihren Sachen und griff nach ihrem einzigen schwarzen Kleid.
    Der tiefe Ausschnitt paßte eher zu einer Silvesterparty. Da Achim aber in Jeans und Sweatshirt steckte, hatte ihre Schwiegermutter offenkundig keine Parolen für die Trauerkleidung ausgegeben. Also entschied sie sich für das graue Kostüm. Damit lag man niemals falsch. Das Aus-und Anziehen war beschwerlich, wenn man nur eine Hand benutzen konnte und eine Halskrause trug. »Achim«, rief sie ein wenig kläglich, »kannst du bitte mal Kammerzofe spielen und mir Reißverschluß und Knöpfe zumachen?«
    Prüfend betrachtete Achim seine Schwägerin in ihrer Businesskleidung. »Wie wolltest du dir eigentlich mit einer Hand die Strumpfhose anziehen? Möchtest du es nicht bequemer haben?« fragte er.
    »Was schlägst du denn vor?« sagte sie und staunte, daß sich ein Mann über

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