Rabenbrüder
schönsten Ruinen zeichnen.
Achim bohrte nicht weiter, sondern dachte angespannt nach.
Er werde mal unter vier Augen mit Mutter reden, lenkte Paul ein, aber ganz behutsam und erst bei einer günstigen Gelegenheit.
Monster
Annette war ihre Halsmanschette mittlerweile los. Da sie sich nun nicht mehr wie ein Kragenbär fühlte, hatte sie beschlossen, sich gemeinsam mit Pauls Mutter geziemende Kleidung für die Trauerfeier zuzulegen. Eventuell einen anthrazitfarbenen Hosenanzug, den sie im Büro mit einer bunten Bluse oder einer modischen Kette tragen konnte.
Den Fahrstil ihrer Schwiegermutter hatte sie bisher nicht kennengelernt, aber er erwies sich erstaunlicherweise als vorzüglich. Auch der Kauf eines schwarzen Kostüms klappte auf Anhieb.
»Schwarz steht dir ausgezeichnet, Helen«, sagte Annette anerkennend und nahm einen dunklen Anzug von der Stange. »Meinst du, ich sollte den mal anprobieren?«
»Doch nicht etwa für morgen?« fragte die Mutter. »Nein, Annettchen, du solltest kein Geld für diese Beerdigung ausgeben, du bist ja gar nicht blutsverwandt ...«
Annette wurde puterrot vor Wut, aber sie beherrschte sich und schlug vor, erst einmal einen Espresso zu trinken.
Ihre Schwiegermutter hatte wohl bemerkt, daß Annette verärgert war, und tätschelte ihr die Hand. »Kind, du hast mich mißverstanden, natürlich gehörst du auch zur Familie«, sagte sie, »aber manchmal bist du konservativer als wir Alten!«
»Damit meinst du wohl eher spießig«, konterte Annette gereizt, »aber lieber möchte ich eine Spießerin sein als eine Heuchlerin wie du!«
Da die Mutter auf diesen Angriff überhaupt nicht reagierte, wurde Annette noch aggressiver: »Wieso kaufst du plötzlich schwarze Klamotten? Deine angebliche Trauer gilt in Wirklichkeit doch bloß deinem Hausfreund!«
Jetzt erst schien Helen wie vom Donner gerührt.
»Wie bitte?« fragte sie mit spitzer Stimme und rang sich ein künstliches Lachen ab. »Hast du Hausfreund gesagt? Wie kommst du auf so einen Blödsinn?«
Gut gespielt, dachte Annette, und lang verdrängter Groll gewann die Oberhand. Sie wisse Bescheid.
Es war kein ungeschickter Schachzug, daß sich ihre Schwiegermutter auf Annettes Kosten reinwaschen wollte. »Heiko Sommer? Das ist doch der ermordete Restaurantbesitzer! Jetzt bringst du aber alles durcheinander, Annettchen! Wie konnte ich vergessen, daß du eine Gehirnerschütterung hattest! Wir fahren sofort nach Hause, du mußt dich hinlegen!«
Annette schüttelte vehement den Kopf, wobei sie sofort merkte, daß die heftige Bewegung genau das Falsche für ein Schleudertrauma war. »Helen«, sagte sie jetzt etwas ruhiger, »ich werde dein Geheimnis bestimmt nicht herumposaunen, aber ich ticke völlig richtig. Auch Paul war dabei, als sie deinen Lover in eurer Küche erwischt haben!«
Wann das gewesen sein sollte, wollte Helen wissen und zog mit ungläubiger Miene die Stirn in Falten. »Am vergangenen Samstag war ich beim Frisör«, behauptete sie, »wenn sich tatsächlich ein fremder Mensch in unser Haus eingeschlichen haben sollte, müssen wir unverzüglich die Polizei verständigen. Aber ich habe nicht bemerkt, daß Wertgegenstände fehlen. Es könnte sich also höchstens um eine absurde Intrige handeln. Annette, bist du wirklich sicher, daß Achim dir diesen hanebüchenen Unsinn erzählt hat? Und was sagt Jean Paul dazu?«
Der Kaffee war heiß und stark. Annette wischte sich den Schweiß von der Oberlippe. Mit einem Mal fühlte sie sich im Unrecht, und als sie in das fassungslose Gesicht ihrer Schwiegermutter blickte, zweifelte sie ernsthaft daran, daß Achim die Wahrheit gesagt hatte.
»Entschuldige, Helen«, sagte sie, »seit dem Unfall bin ich tatsächlich etwas durcheinander. Oder kann es sein, daß Achim mir einen Bären aufgebunden hat?«
»Ich werde ihn fragen«, sagte Pauls Mutter, »wenn es mir auch in hohem Maße unangenehm ist. Annette, ich weiß, daß du krank bist, und ich weiß auch, daß Achim ein ewiger Kindskopf bleibt. Manchmal übertreibt er oder macht sich mit phantastischen Einfällen ein bißchen wichtig. Aber so eine infame Lüge würde er niemals erfinden!«
Inzwischen bereute Annette längst, daß sie ihre Schwiegermutter mit einer taktlosen Unterstellung beleidigt hatte. Wie konnte man unüberlegte Worte rückgängig machen? Unter Tränen brachte sie hervor, daß ihr Kopf nicht mehr richtig funktioniere und sie es bedauere, einen wirren Traum für Realität gehalten zu haben.
»Wenn ihr in Mannheim
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