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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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daranmachten, sich an den Leichnamen gütlich zu tun. Sedain hielt sich die Leiste mit der einen Hand, währenddessen seine andere, in der er das Kurzschwert hielt, die Attacken, die ihn nun von allen Seiten angingen, parierte. Das konnte nicht sein! Kraehs Gesicht verzog sich vor Kummer und Schmerz. Auf diese Weise konnte es nicht enden, es sei denn, die Nornen hatten ihn getäuscht.  
    »Ich kenne meinen Tod«, kreischte er sich und die Feinde an. Ein überaus kräftiges Armpaar schloss sich von hinten um seine Brust, hob ihn von den Beinen und zog ihn raus aus dem Getümmel. In einem Aufwärtshieb brachte Lidunggrimm noch den Kiefer eines Angreifers zum Bersten, dann legte sich ein Schleier über Kraehs Sichtfeld. 
     
    *** 
     
    Gegen seinen Willen hatte die Kriegskrähe sich aus dem Geschehen tragen lassen, hatte machtlos Zeuge der ungeheuren Niederlage werden müssen. Es kam einem Wunder gleich, dass es überhaupt jemand aus dem schrecklichen Getümmel geschafft hatte. Gnadnit war einer davon. Nachdem er und die wenigen, die ihm noch folgen konnten, die ganze Nacht durchgerannt waren, waren sie völlig erschöpft an einen verlassenen Hof gelangt. Durch einen Tritt gegen die morsche Tür war der Minotaur in die Stube geschritten und hatte sein Bündel, so sanft es ihm möglich war, auf dem Boden abgesetzt. Dort lag Kraeh in halb aufrechter Position noch immer. Irgendwie war es ihm gelungen, Lidunggrimm nicht fallen zu lassen. Benommen starrte er auf die blutgetränkte Klinge. Allein von den wenigen Nachzüglern und den unterdrückten Klagelauten wurde die fassungslose Apathie durchbrochen. Orthan, dessen kuttenartiges Gewand in Fetzen von ihm herabhing, kümmerte sich um Sedain, den er mit Henfirs Hilfe aus der Schlacht gezerrt hatte. Außer ihnen waren nur noch zehn weitere Überlebende und Sedains Hund, wunderlicherweise unversehrt, davon gekommen. Womöglich hatten es noch einige mehr geschafft. Rhoderik aber, und auch der treue Veteran Luitbrecht sowie fünfhundert Kämpfer, die meisten Bauern und Familienväter, waren gefallen. Die unwürdigen und grässlichen Todesszenen der Freunde und Waffenbrüder bestimmten die Gedanken der niedergeschlagenen Runde, zwei ließen ihren Tränen freien Lauf. Vermutlich, so dachten alle, labten sich die Bestien, die sie aufgerieben hatten, noch immer an den Leichen der auf dem Felde Zurückgebliebenen. 
    Drei Tage vergingen. Sie bewegten sich kaum, außer wenn jemand meinte, draußen etwas vernommen zu haben. Dann linste einer mit ängstlichem Blick aus ihrem Verschlag und gab nach einiger Zeit Entwarnung. In diesen Tagen stahlen sich sechs Männer davon, meist heimlich und nachts, wenn alle schliefen. Zwei jedoch erklärten offen, sie seien nicht für das Kriegshandwerk gemacht und würden jetzt nach Hause zu ihren Familien zurückkehren. Die zwei jungen Brüder Landulf und Landolt, die als Einzige außer den Kriegern und dem Magier zurückblieben, meinten, sie hätten ohnehin nichts zu verlieren. Ihr Schicksal, so bezeugten sie, sei auf Gedeih und Verderb mit dem Kraehs verflochten. Dieser allerdings hatte immer noch kein Wort gesprochen und blieb auch bei dieser Gelegenheit stumm. 
    Ihre Wunden heilten dank Orthans Zaubersprüchen zügig. Auch die des Halbelfen, bei dem der Magier allerdings aufgrund ihrer Schwere zu Anfang auf Nadel und Faden hatte zurückgreifen müssen. 
    »Ein Gutes hat die Sache«, brach Landolt, der größere und stärkere der beiden Brüder, schließlich das Schweigen, als er eines Abends von der Jagd zurückkehrte, bei der er Frauen beim Pilzesammeln begegnet war. Er legte einen Korb randvoll mit Pfifferlingen ab. »Jeder weiß nun, wie sehr die Dinge in unsrem Land im Argen liegen. Deine Legende wächst. Vom eisigen Norden bis in die Wüsten des fernsten Südens wird man nun Lieder über dich singen.« 
    Kraeh, an den die Rede gerichtet war, schaute dem Mann fassungslos in die nussbraunen Augen. Seine eigenen verengten sich vor Zorn. 
    »Meine Legende?«, brauste er wütend auf. »Sollte ich das nächste Mal eine Halle betreten, in der nicht auch von Rhoderik, dem treuen Schwertmeister, und Luitbrecht, dem Listigen, gesungen wird, gibt es ein Blutbad!« Eine Träne wegblinzelnd, fügte er mehr an sich selbst gerichtet, hinzu: »Fünfhundert Mann habe ich auf dem Gewissen. Was kümmert mich da, wenn Geringere als jene, die mit uns fochten, Gutenachtgeschichten verbreiten?« 
    »Es war ihre Entscheidung zu kämpfen«, lenkte Orthan

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