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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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und überreichte dem Alten eine Goldmünze. Erst jetzt stellte er fest, dass dessen Mantel aus kunstfertig verarbeiteten Schneehasenfellen bestand. Ohne falsche Bescheidenheit nahm dieser die Münze an, bat die Krieger allerdings, bis zur Mittagszeit hier zu warten, da er noch einige Besorgungen im nächsten Dorf zu erledigen hätte.  
    »Seid unbesorgt, heute findet keine Messe statt.« Sie reichten sich die Hand und kurz darauf waren die sieben wieder unter sich. Die Kapelle war spärlich eingerichtet. Außer einem Altar, auf dem Messinggeschirr stand, zweimal drei Bankreihen und einem mehr als laienhaften Porträt des verstorbenen Fürsten von Rhodum war sie leer. Sedain spuckte auf den Altar und ging hinaus. 
    Die Sonne hatte den Zenit bereits leicht überschritten, als Sacha zurückkehrte. Sedain musterte den Mann argwöhnisch und begann ihn nach seinen Geschäften auszufragen. Da das Verhör kein Ende nehmen wollte und Sacha sich nicht im Mindesten widersprach, winkte Kraeh schließlich ungeduldig ab und meinte, dass es nun genug sei. Und gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Während sie dem Alten durch Wald und Felsen folgten und die Hunde miteinander Fangen spielten, redete ihr Führer ununterbrochen. Die Themen erstreckten sich von dem späten Wintereinbruch dieses Jahres über die gestiegenen Preise von Wachs und Korn bis zu den Querelen, die seine drei Töchter ihm bereiteten. Ob sie denn wüssten, wie das Gebirge zu seinem Namen gekommen sei. Henfir verneinte und so vernahmen sie die Volksmähr von Odehin, wie Odin in dieser Gegend genannt wurde, der, als die Welt noch jung und menschenarm war, den Herrn der Alben, einem mystischen Geschlecht aus dem Reich der Sagen, für seine Verschlagenheit bestrafte, indem er ihn und alle seiner Art versteinerte und so das weit aufragende Gebirge, an dessen Hängen sie entlangwanderten, geschaffen habe.  
    »Manche jedoch behaupten«, fügte er spitzbübisch hinzu, »Odehin habe den ein oder anderen übersehen.« Immerhin liebten Alben der Sage nach die Dunkelheit finsterster Grotten. »Seht euch also vor«, schelmisch gab er seinem Hund einen Klaps, »dass ihr keinem begegnet. Wenn man den Erzählungen glauben schenkt, kommen sie meist bei Nacht und können menschenähnliche Gestalt annehmen.« 
    Erst als die rot schimmernde Sonne hinter den schneebehangenen Gipfeln verschwunden war, gelangten sie an ihr Ziel. Die Lage ihres Unterschlupfs war vortrefflich. In vollkommener Abgeschiedenheit lehnte sich die kleine Hütte an zwei Tannen, deren unteres Geäst abgeschlagen war, deren oberes hingegen eine Art zweites Dach formte. Ein halb zugefrorener Teich, der sich, wie Sacha meinte, von einer Quelle weiter oben speiste, würde ihnen den Weg ins Tal ersparen. Der einzige Makel waren die eingeschränkten Fluchtmöglichkeiten. Der Wald, an dessen Rand ihr neues vorübergehendes Zuhause errichtet worden war, wucherte eine halsbrecherische Senke hinab, während sich die andere Seite von scharfkantigen Felsen gesäumt steil in die Höhe erstreckte. Das Angebot Landolts, ihn zu seinem Haus im Tal zu begleiten, schlug Sacha dankend aus. Kraeh wies den Mann freundlich darauf hin, dass sie für das Gold nicht nur die Unterkunft, sondern vor allem sein Stillschweigen erwarteten. »Denk an deine Töchter, solltest du in Versuchung geführt werden«, fügte der Halbelf mit funkelnden Augen hinzu. Sie verabschiedeten sich und das Lied ihrer ersten Begegnung auf den Lippen, zog der Mann wieder von dannen. 
    Abgeschnitten von den Vorgängen in der Welt verlebten sie einen ruhigen und, abgesehen von den gelegentlichen Streitereien der Brüder, harmonischen Winter. Als der Schnee am höchsten lag und Truppenbewegungen daher auch in tieferen Lagen unmöglich waren, wurden der Minotaur und Henfir aus ihrem Dienst entlassen. Ihre Aufgabe, so der Magier, sei es, sich nach Skaarbrok durchzuschlagen und dem König von den Ereignissen zu berichten. Sie dankten den beiden noch mal herzlich für ihre Hilfe, rüsteten sie mit ein wenig Proviant aus und sahen Gnadnit und Henfir, dessen Miene deutlich verriet, dass er lieber geblieben wäre, ihren gefährlichen Weg in die Heimat antreten. 
    Kraeh, dessen Gemüt allmählich zu der gewohnten Ausgeglichenheit zurückfand, kannte das Schriftstück, das Siebenstreich ihm vor langer Zeit geschenkt hatte, nun beinahe auswendig. Was dessen tieferen Sinn betraf, tat er sich allerdings schwer. Abends diskutierten sie oft darüber, wobei Orthan, der

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