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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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sein. Andauernd Menschen um sich zu haben, und seien es die besten Freunde, ließ allmählich, ohne dass er es merkte, die eigene Person verwischen und fast hatte er sich bereits über die Erwartungen und Wünsche anderer definiert. Nun war sein festes Vorhaben, für sich zu sein, um wieder zu spüren, wer er eigentlich war, wenn niemand auf ihn Einfluss nahm. Einzig auf die Frage, weshalb er die Vampiri hatte entkommen lassen, fand er keine vernünftige Antwort. 
    Der Frühling kam und ging und noch immer durchstreifte die Kriegskrähe ziellos das Land. Nur selten zeigte er einem Menschen sein Gesicht, und wenn er es tat, dann nur, um für eine Nacht einzukehren und bereits vor Morgengrauen wieder weiterzureiten. Dieses Vorgehen ließ bald das Gerücht entstehen, er sei gefallen, allein sein Geist wandle unruhig durch das Land bis zum Tag der großen Schlacht, in der er es von der Knechtschaft des Dämons befreien würde. Aber auch jener verhielt sich, wie Kraeh Gesprächen an Nachbartischen in Wirtshäusern entnahm, unauffällig. In einer Färberei hatte er sich für eine Münze von den Zweidritteln des Geldes, die er nicht an Sedain abgetreten hatte, braune Farbe gekauft. Sein augenscheinlichstes Merkmal kaschierend, war es ihm dadurch möglich, sich unerkannt in den Dörfern zu bewegen. Vom eigentlichen Krieg war in den Dörfern wenig zu erfahren. Irgendwann, dessen war er sich sicher, musste er das Unausweichliche tun und dieser Zeitpunkt war so gut wie jeder andere. In der prallen Sonne des Hochsommers zog er in Richtung seiner alten Heimat Brisak. 
    Erstaunt stellte er fest, dass je näher er dem Zentrum der Macht kam, desto wohlhabender die Städte und Dörfer erschienen. Er kam auch durch Siedlungen, von denen er zuvor nie gehört hatte. Sie mussten neu entstanden sein. Die Rinder waren hier fetter, die Geschmeide um die Hälse der Frauen prunkvoller und die Kinder auf den Straßen unbedarfter in ihrem Spiel. In dieser prosperierenden Gegend dürfte er kaum auf Zuspruch für seine Sache hoffen.  
    An einer Weggabelung vergrub er den Großteil der noch übrigen Münzen. Einem fahrenden Händler kaufte er einen fleckigen Mantel, eine wollene Hose und einen Schlapphut ab. Die Krempe tief ins Gesicht gezogen, erreichte er schließlich eine mittelgroße Ortschaft mit dem Namen Ehmendinggen. In der Stadtmitte durchquerte er ein antik wirkendes Tor, wohinter er in ein emsiges Treiben geriet. Es war Markttag. Da Kraeh gezwungen war abzusteigen, führte er sein Pferd an den Ständen vorbei, hinter denen lautstark, aber gesittet die Verkäufer ihre Waren feilboten. Interessiert blieb er vor einem Mann in Robe stehen, der, in seinem Gestus den anderen nicht unähnlich, die Vorzüge der neuen Religion anpries. Er sprach mit dem Rücken zu einem jener Tempel, von denen Kraeh mittlerweile schon viele gesehen hatte. Obwohl der grau melierte Bart und die Ringe unter den Augen eindeutig sein fortgeschrittenes Alter verrieten, war seine Rede kraftvoll und eingängig. Die, die gemeinsam mit Kraeh eine kleine Traube um ihn bildeten, hingen geradezu an seinen Lippen und saugten, wie der Krieger empfand, das Gift, das er verströmte, lustvoll in sich auf. Der Inhalt der Ansprache war schwach und von Intoleranz geprägt, was niemanden davon abhielt, den Phrasen begeistert Beifall zu zollen. 
    »Ein jeder, sage ich euch, der bereit ist, seine Schuld zu sühnen, sein altes, verkommenes und sündhaftes Leben abzulegen, wird mit offenen Armen aufgenommen. Ein Frohsinn und Glück, wie ihr es euch nicht träumen lasst, erwartet euch im Schoße der Kirche. Bedenkt! Nur jenem, der sich dem Herrn zu- und der fleischlichen Welt abwendet, wird Vergebung zuteilwerden.«  
    In diesem Pathos, das den ausgrenzenden vorangegangen Worten aufs Heftigste widersprach, beendete der Priester seine Ansprache. In emphatischem Klatschen löste sich die Menge um ihn herum auf, allein Kraeh und eine Familie blieben zurück. Sie waren ärmlicher gekleidet als der Durchschnitt. Mit strenger Miene schubste der Vater seinen jüngsten Sohn, nicht älter als vierzehn Sommer, nach vorne, während seine Frau mit den restlichen vier Kindern gesenkten Hauptes untätig danebenstand. 
    »Sag schon deinen Spruch auf«, zischte der Mann den flachsblonden Jungen an, wobei er drohend die Hand hob. Unwillkürlich zuckte dieser zusammen. Sein linkes Ohr und der hintere Teil der Wange waren blau angelaufen. Da der Blickkontakt zur Mutter nicht herzustellen war, machte

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