Rabenflüstern (German Edition)
Königs?«
»Nein«, lächelte der Krieger. »Aber ich bin mir sicher, du würdest eine Ausnahme machen, solange der Preis stimmt …«
Nun sah sich Bretel verstohlen um. Niemand schien sich um sie zu scheren. Beide Arme auf den Tisch gestützt flüsterte er: »Ich habe von Thorwiks Tod gehört …« Die Miene des Zwerges war seiner Ware zugewandt, dennoch blieb Kraeh der Schmerz über den Verlust des Freundes nicht verborgen. »Und auch du, Schattenwandler, machst von dir reden.«
Der Krieger zauberte ein Goldstück hervor und legte es unauffällig auf den Tisch. »Sofern du an einem richtigen Geschäft interessiert bist, bereite dich auf meinen Ruf vor. Und wenn er kommt, leiste ihm Folge.«
Abrupt nahm Kraeh den Dolch an sich und kehrte dem Stand des Zwerges den Rücken zu.
»Lächerliche zwei Silberstücke! Ihr macht mich arm!«, raunzte die gutturale Stimme des Zwerges ihm hinterher.
Noch immer in sich hineinlächelnd fragte sich Kraeh, wie der Freund des verstorbenen Kapitäns der Fraja es geschafft hatte, in den Rheinlanden Fuß zu fassen. Außer ihm gab es weit und breit keinen Angehörigen einer nichtmenschlichen Rasse.
Nach einer wenig erholsamen Nacht in einem ungemütlichen Schlafsaal, begab sich der Krieger zu der verabredeten Stelle vor der Kirche. Sein Nacken schmerzte wegen des kleinen Geldsackes, den er misstrauisch als Kopfkissen benutzt hatte. Seine Stimmung sank weiter, als der Priester bei der Abreise meinte, es zieme sich nicht, dass er ein Pferd reite, während ihm selbst lediglich ein Esel zu Verfügung stünde. Seinen Unmut verhehlend gab er das Reittier an den Priester ab, hob den Jungen auf das Packtier und nahm es an den Zügeln. Und so zogen die drei los.
Kraehs schlechte Laune schlug bald in einen tiefen Groll um, als Orlaf, wie der bärtige Prediger ihnen jovial anbot, ihn zu nennen, offenlegte, er habe gar nicht vor, auf direktem Wege nach Brisak zu reisen. Vielmehr wolle er zuvor einige Dörfer abklappern, um die Zahl seiner Schäfchen zu vergrößern. Auf die Frage, weshalb dies denn nötig sei, immerhin sei die neue Religion von der Krone aus für alle verpflichtend geworden, schalt ihn Orlaf einen Hammelkopf. Er solle über den Tellerrand seiner Einfältigkeit hinausblicken oder, stelle sich dies für ihn als unmöglich heraus, das Denken anderen überlassen solle. Orlaf konnte nicht ahnen, wie knapp er dabei dem Tod entging. Allein das erheiternde Augenrollen des Jungen hielt Kraeh zurück, Lidunggrimm das Wort zu erteilen.
Viel Schwachsinn mussten die beiden über sich ergehen lassen. Das zweite Motiv, das Kraeh dazu bewogen hatte, sich dem Priester anzuschließen, nämlich den Eingottglauben besser verstehen zu lernen, stellte sich immer mehr als leere Hoffnung heraus. All jene Predigten über Mitgefühl, Demut und Liebe, die sich zumindest teilweise, wie Orlaf oft betonte, auf den Narren stützten, der sich von den Bretonen ans Kreuz hatte schlagen lassen, waren nur Mummenschanz. Gut dafür, ein Volk von Sklaven in den Schlaf zu singen, damit eine Herrscherkaste ungeniert regieren konnte. Selbst dem Jungen, der sich riesig über den heimlich überreichten Dolch des Kriegers freute, fielen die offenkundigen Ungereimtheiten jenes Konzeptes auf, das sie wie einen zähen Brei täglich zu kosten bekamen. Das eigentliche Lügengespinst jedoch, das sich hinter den Glaubenssätzen verbarg, durchschaute er freilich nicht. Einmal aber horchte Kraeh auf, als Orlaf abends am Feuer über das Buch der Bücher sprach, das im fernen Norden sichergestellt worden sei.
»Wo im Norden?«, hakte er nach.
Ein gottloses Geschöpf habe lange Jahre das Wort Gottes vor der Welt zurückgehalten. »Ein Dämon namens Siebenstreich. Unsre Ritter haben beim Schleifen seiner Burg eine Bibliothek gefunden. Es war Vorsehung.«
»Ist er … ich meine … ist dieser Dämon getötet worden?«
»Soweit ich weiß, ja.« Aufmunternd klopfte Orlaf dem Krieger auf die Schulter. »Keine Sorge, die Kirche hat andere Feinde, an deren Blut du deine Seele rein waschen kannst.«
Kraeh schluckte schwer. War es Berbast tatsächlich gelungen, Skaarbrok einzunehmen?
Sie zogen von Ort zu Ort. Tagsüber wohnten sie den Reden des Wanderpredigers bei oder beschafften ihm, was immer er verlangte. Immer trafen sie auf Zustimmung, anschließen jedoch mochte sich ihnen keiner. Dafür spendeten viele Geld, das Orlaf gierig an sich raffte. Dennoch mussten sie sich stets mit den billigsten
Weitere Kostenlose Bücher