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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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schenkte ihm vorerst niemand Beachtung. Er nahm die etwas barsche Einladung eines verwitterten Veteranen an und ließ sich am ersten Tisch nieder. Mit dem Rücken zum Eingang sitzend, zog er den Hut ein wenig tiefer ins Gesicht und sah den drei anderen am Tisch Zechenden eine Weile beim Würfelspiel zu. Zu seinem Glück stellte er fest, dass er den Wirt nicht kannte – womöglich eine Aushilfskraft. Das Ale schwappte über, als der für seine Tätigkeit zu jung und zudem zu hager wirkende Mann einen nicht mehr ganz so vollen Krug vor ihm abstellte. 
    Ohne das Spiel zu unterbrechen, sprach ihn einer der Sitznachbarn unvermittelt an. »Sag mal … irgendwie kommst du mir bekannt vor …« 
    Kraeh lugte unter der Krempe des Huts hervor und nahm von dem Sprecher lediglich einen fettigen Bart und spröde Lippen wahr. Er wollte gerade kontern, da sprang die Tür hinter ihm auf. Urplötzlich verebbten alle Gespräche im Raum und sofort bereute er den Fehler, sich umgedreht zu haben. Es war nicht mehr als ein Augenblick gewesen, doch, wie er fürchtete, lange genug, dass Wintar, die in Begleitung des Erzfeindes eingetreten war, auch ihn bemerkt haben könnte. Verzweifelt versuchte er, das Zittern seiner Hand zu unterdrücken, indem er den Krug zum Mund führte. An seinem rechten Ellbogen vorbei sah er das Schuhwerk Niedswars, hoch geschnürte Stiefel, deren Spitzen sich leicht nach oben bogen. Würde die Vampiri ihn verraten? Immerhin hatte er sie laufen lassen, als ihr Leben in seinen Händen lag. Vorerst machte sie dazu keine Anstalten, bestimmt war er ihr gar nicht aufgefallen. Ein schlurfendes Geräusch verriet Kraeh die Anwesenheit einer dritten Person in seinem Rücken. Auf die übrigen Gäste in dem Schankraum mochte die Bassstimme des Sehers wohlwollend und angenehm klingen, für ihn war sie die reine Verkörperung allen Übels dieser Welt. 
    »Meine Krieger«, hub er an und mit Entsetzen stellte Kraeh fest, wie die bloße Anrede ausreichte, die Flamme der Begeisterung in die Augen der Umsitzenden zu zaubern. »Dringende Geschäfte halten mich viel zu oft davon ab, euch, deren Mut die Größe unsres Reiches ausmacht, Gesellschaft zu leisten. Meist hört ihr mich nur zu euch sprechen, wenn ich etwas von euch verlange, so leider auch heute.« Er machte eine Pause. Die Soldaten klebten förmlich an seinen Lippen. »Ihr wisst um die Geschichten eines Mannes, den allein Legenden und Lügen zum Helden stilisierten …« Erneut hielt er inne. 
    Halluzinierte er oder spürte Kraeh tatsächlich ein Vibrieren an seiner Seite? Ohne Zweifel – das magische Schwert lechzte nach Blut. Kraeh meinte sogar, leise Schnurrlaute von der Klinge zu vernehmen, und hoffte inständig, sie würde ihn nicht auffliegen lassen. 
    Irgendetwas schien dem Feind aufgefallen zu sein. Er rümpfte die Nase und schnupperte ein wenig, besann sich dann aber und fuhr fort. »Jener Narr, und glaubt mir, mehr ist in seiner Person nicht auszumachen, hat sich heimlich in unsre Stadt gestohlen! Ich verlange, dass jedes Tor, jeder Schleichweg, jedes Wirtshaus nach ihm durchsucht wird. Verderben führt er im Gepäck. Wir müssen ihn daran hindern, Unglück über uns alle zu bringen!« 
    »Weshalb seid ihr euch so sicher, dass es sich um ihn handelt?«, wurde die Frage aus einem hinteren Eck des Raumes laut. »Ich hörte, die Kriegskrähe sei gefallen.« 
    »Wir haben Grund zur Annahme …«, schaltete sich nun, leicht lispelnd, der Dritte im Bunde hinter ihm ein. Kraeh nahm an, dass es sich um einen Priester der neuen Religion handelte. Der Mann wurde aber sogleich von Niedswar abgewürgt. 
    »… Eine alte Freundin von ihm stellte sich als äußerst redselig heraus, bis sie den Kopf verlor.« Bei diesen Worten legte er einen schweren Gegenstand auf Kraehs Tischplatte ab. Betont gelassen drehte der Krieger seinen Kopf und sah in die toten Augen Marthas. – Das war es! Erst jetzt, da es zu spät war, erinnerte er sich ihres Namens. Sie war ein Freund gewesen, ebenso wie Rhoderik. Die dunkle Flamme des Hasses wuchs in der Seele des Kriegers, entwickelte sich zum Flächenbrand und hatte bald die Furcht davor verdrängt, entdeckt zu werden. Die verhasste Stimme sprach weiter, doch in Kraehs Ohren klangen die Worte hohl und wie aus weiter Ferne. Wenn ein Bauer einen Fuchs in seinem Hühnerstall antrifft, tut er schlecht daran, den in die Enge Gedrängten noch zu provozieren … 
    Er sprang auf. Noch ehe seine Beine auf dem Tisch Halt fanden, beschrieb

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