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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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beiseiteschiebend konzentrierte er sich wieder auf seine Geschichte. 
     
    *** 
     
    Das Gebiet um Brisak war karg, der trotz der Begradigung des Flusses immerfeuchte Boden nass und schlüpfrig. Ein erfrischender Schauer ließ Dunst von den am Vormittag aufgeheizten Findlingen aufsteigen, die überall in unregelmäßigen Abständen halb vergraben aus der Erde ragten. Vereinzelt standen einsame Birken und andere ähnlich anspruchslose Bäume auf den weiten Ebenen entlang des Rheins. Im Westen, wo es trockener war, erstreckten sich jene Felder, über die Kraeh früher gern geritten war. Für ihn waren sie stets ein Sinnbild für die Nähe der Heimat gewesen. Nun hingegen fühlte er nur die Bedrohung, die von den allmählich vor ihm in die Höhe wachsenden Mauern der Feste ausging, und die Gefahr, die dahinter auf ihn lauerte. Wie würde es wohl in der Stadt zugehen? Es war schwer vorstellbar, wie Menschen Seite an Seite mit jenen fürchterlichen Kreaturen lebten, denen er bei der letzten Schlacht gegenübergestanden hatte. Beherbergte sie womöglich überhaupt keine Menschen mehr und man würde ihn und seine Begleiter, noch bevor sie den äußersten Verteidigungsring erreichten, niedermachen? 
    Seine Befürchtungen schwanden, als ihnen ein Trupp Männer mit schwer beladenen Karren von der Stadt aus entgegenkam. Sie bewegten sich auf monströse Gebilde zu, die Kraeh zunächst für vorgelagerte Wachtürme gehalten hatte. Nun erkannte er, dass es sich um gigantische Erdaufschüttungen handelte. Bei ihnen angekommen, packten die Männer Spaten aus und machten sich an die Arbeit, die Haufen noch zu vergrößern. Woher kam all dieses Material? Obgleich er die Frage nicht laut geäußert hatte, bekam er von Orlaf eine Antwort. »Die Stadt wird vollständig untergraben. Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, nur den höchsten Klerikern wird der Zugang gewährt. Aber ich zweifle nicht daran und du solltest das auch nicht, dass Niedswar der Reine allein den Willen Gottes im Sinn hat.« Er redete weiter, doch Kraeh war beschäftigt genug damit, seinen Speichel zurückzuhalten. Niedswar der Reine ! Dieser Kerl war tatsächlich noch einfältiger, als er aussah. Niedswar besaß fraglos ein ungeheures Geschick, Menschen zu manipulieren, diesem Narr von einem Prediger jedoch hätte man erzählen können, dass Fliegen ein Kinderspiel war und er hätte sich ohne zu zögern von der nächsten Klippe gestürzt. 
    An den mächtigen Eichentoren angelangt, rief der Priester den Männern auf der Brüstung seinen Namen zu, worauf die durch Flaschenzüge betriebenen Flügel knarrend aufschwangen. Den Blick starr auf die Pflastersteine gehaftet trottete Kraeh hintendrein und musterte das Innenleben der drei frisch gebauten Verteidigungsringe verstohlen aus den Augenwinkeln. Wie die alten waren sie zackenförmig um das Zentrum der Stadt angeordnet, ausschließlich Militärs bewegten sich darin. Trotz der Abwesenheit der Hauptstreitmächte waren die Mauern gut besetzt. Die meisten Soldaten wirkten guter Dinge, manche blickten gelangweilt auf das Geschehen um sie herum. Warum auch nicht, wen hatten sie schon zu fürchten? 
    Auch tiefer im Inneren der Feste verblüffte den Krieger die dort herrschende Normalität. Als hätte sich nichts verändert, seit er das letzte Mal hier gewesen war, gingen die Bewohner ihren Alltagsgeschäften nach. Kinder spielten auf den Wegen, Frauen wuschen an den Brunnen ihre Wäsche, Handwerker gingen überall beinahe fröhlich ihrer Arbeit nach. Brisak war auf einem Felsen errichtet; je höher sie stiegen und je mehr sie sich Brans Palast näherten, umso besser wurde die Aussicht. Nun erkannte Kraeh die große Brücke, von der Sedain gesprochen hatte. Sie war tatsächlich von gigantischem Ausmaß und verband die beiden Ufer des Flusses, was früher, vor der Befriedung der Orkstämme, nicht denkbar gewesen wäre. 
    Als er sich seines Standortes völlig sicher war, gab Kraeh dem Jungen neben sich einen Klaps auf die Schulter und schlüpfte in eine Seitengasse. Dann nahm er die Beine in die Hand. Kurz verfolgten ihn noch die empörten Rufe des getäuschten Priesters. Sie verhallten jedoch bald, nachdem er zwei Häuserblöcke hinter sich gebracht hatte. Dem Zufall keine Chance überlassend rannte er noch ein Stück durch einige Innenhöfe und kehrte schließlich gemäßigten Schrittes auf eine der belebteren Straßen in der Senke der Stadt zurück. 
    An einem Steg, der sich über einen der vielen Abwasserkanäle bog,

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