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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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eine von ihr gewünschte Richtung zurückdrängen ließ, bis er die Fluchtmöglichkeit verstand. Von einer Zinne ging ein Seil ab, das sich zwischen ihr und einem außerhalb der Stadtmauer gelegenen Baum spannte. Ein ausgehöhltes Stück Holz war daran befestigt. Mit der Linken umgriff er es, während er die Rechte, in der er Lidunggrimm hielt, vorschnellen ließ. Die Klinge fraß sich in den Schwertarm der Vampiri. Nicht tief, zumal der Ärmel durch Kettenringe geschützt war, aber heftig genug, ihr die Klinge aus der Hand zu schlagen. 
    Er flüsterte noch ein »Danke«, bevor er ihr den Knauf in die Rippen hieb. Wintar klappte in sich zusammen. Die Soldaten setzten sich wieder in Bewegung. 
    »Geh«, stöhnte sie, und auf einen letzten fragenden Blick Kraehs: »Ich teile mein Futter nicht, wenn es sich vermeiden lässt …« 
    Der Krieger schwang sich über die Brüstung und die wilde Fahrt begann. Es ging steil abwärts, über einen Tümpel und auf die kahle Krone eines morschen Baumes zu. Die Landung war nicht eben sanft. Der Ast, an den er sich klammern wollte, krachte, gab nach und er schlug hart auf dem Boden auf. Fluchend rappelte er sich auf und bestieg das Pferd, das hinter dem Baum angebunden wartete. Sie hatte an alles gedacht. Schon hämmerten Pfeile gegen den Stamm, während er den Rücken des Pferdes bestieg. Er stieß dem Schwarzen die Fersen in die Flanken und galoppierte los, das Knarren der sich öffnenden Tore im Ohr. Der Ritt war anstrengend, zumal geschundene Stellen seines Fleisches, in denen immer noch Scherben steckten, schmerzhaft am Sattel rieben. Aber da seine Verfolger, etwa dreißig Mann, Sichtkontakt zu ihm hatten, konnte er nicht viel tun, außer das Tier weiter anzutreiben. Er dachte über allerlei nach. Die letzten Geschehnisse waren sonderbar gewesen. Die unerwartete Hilfe der Vampiri hatte ihn überrascht. Die Soldaten waren zu täuschen, aber Niedswar … Würde er sie nicht sofort durchschauen? Überhaupt schien ihm die Flucht zu einfach vonstattengegangen zu sein, zumindest bis hierher. Wo waren seine dämonischen Schergen? War dem Feind die Aufrechterhaltung des Scheines wichtig genug, um ihn entkommen zu lassen? 
    Es ging bereits gegen Morgen zu, als die, die ihn die ganze Nacht durch gehetzt hatten, die Verfolgung vorläufig aufgaben. Außer Reichweite ihrer Bögen, gönnte auch er sich eine kurze Rast, säuberte die Wunden und aß einen Happen von dem trockenen Laib Brot, den er in einer Satteltasche vorgefunden hatte. 
    Als die ersten Strahlen der Sonne sich auf das Land legten, nahm Kraeh Bewegungen in der Ferne wahr. Kein Zweifel, sie machten sich bereit, die Jagd fortzusetzen, also ritt auch er weiter.  
    Mittlerweile hatte er ein gutes Stück zwischen sich und die Häscher gebracht, dennoch war er sich sicher, von einem jener Schatten gejagt zu werden. Aus der Distanz waren zwar lediglich die Konturen des Anführers zu erkennen, sein Gefühl jedoch sagte ihm, dass er einer von ihnen war. 
    Wieder einmal hielt Kraeh auf die Berge zu und grämte sich dabei. Sein Leben drehte sich im Kreis, überlegte er grimmig. 
    Es war eine lange Hatz. Die Jäger waren hartnäckig, das Wild unwillig, gefasst zu werden. Nach einigen Tagen gab er das Verwischen seiner Spuren auf. Gleich, was er in der Dunkelheit tat, am nächsten Tag waren sie wieder hinter ihm. Den Luxus zu schlafen gönnte er sich kaum. Waren die Verfolger einmal weiter zurückgefallen als sonst, suchte er nach essbaren Wurzeln oder stahl Eier, sofern der Weg ihn in die Nähe eines abgelegenen Hofes führte. Siedlungen mied er, aus Furcht vor dem Unheil, das er über die Bewohner bringen würde und wie einen Rattenschwanz hinter sich herzog. 
    An einem verregneten Nachmittag trabte Kraeh auf eine abseits stehende Mühle zu, das letzte Zeichen von Zivilisation, bevor die Nadelwälder begannen. Die hohen Tannen zogen eine lang gestreckte, an ein menschenfeindliches Bollwerk erinnernde Linie. In seiner Lage jedoch würden sie doppelten Schutz bieten. Einerseits vor dem ungemütlichen Regen, andererseits waren sie schwer einsichtig, was seine Verfolger verlangsamen würde. Während Kraeh sich diesen Überlegungen hingab, trat unvermutet ein Mann aus der Mühle. Die Hände zum Zeichen der Friedfertigkeit erhoben, riet Kraeh ihm, schnellstmöglich diesen Ort zu verlassen. Der breitschultrige, etwas verdruckst wirkende Alte nickte und mahnte im Gegenzug, sich von einem bestimmten Waldstück fernzuhalten. Weshalb dort

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