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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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wurden zu Boden geprügelt. Dann trat ihr Anführer vor. Henfir kannte Niedswar in seiner menschlichen Form nicht, spürte aber instinktiv, wer da schlendernd, ein genüssliches Grinsen auf den Lippen, Befehle erteilte. Auch war offensichtlich, dass ihr Erscheinen hier kein Zufall war. Alles lief planmäßig ab. Sie hatten Peitschen und andere Folterinstrumente bei sich, die nicht für den Kampf geeignet waren. Mit diesen begannen sie die gefesselten oder von brutalen Händen auf den Boden gepressten Frauen und Kinder zu malträtieren. Niedswar beteiligte sich nicht selbst an den Folterungen und Vergewaltigungen, er hockte sich einfach in der Mitte des Geschehens auf einen Stein und zog an einer Pfeife, wobei sein Blick ein Etwas in schwarzer Kutte verfolgte, das über eine junge Frau herfiel, mit der Henfir gestern Abend noch scherzend beim Feuer gesessen hatte. 
    Der Krieger war unter den Nordmännern groß geworden, war demnach den Anblick grausamer Misshandlungen gewohnt. Aber was sich hier abspielte, raubte ihm die Luft zum Atmen. In einem fort wiederholte er leise den Namen des Göttervaters, während Peitschen knallten, Männer wie Tiere in ihrer abscheulichen Lust grunzten und Frauen ihr Unglück hinausschrien, bis ihre Körper den Widerstand aufgaben. 
    Die Scheusale hatten sich wahrlich Zeit gelassen, erst als die Sonne tief stand, war ihr Durst gestillt. Nach ihrem Abmarsch wartete Henfir noch eine Weile, bevor er in das verwüstete Lager ging. Den Kindern befahl er, sich weiterhin verborgen zu halten. Allein die Zeugnisse der Grausamkeiten, die sich ihm darboten, hätten ihrer Unschuld, auf die sie ein Recht hatten, ein jähes Ende bereitet.  
    Nicht alle waren tot. Drei Frauen waren noch am Leben und lagen schwer geschändet in ihrem eigenen Blut. Unter ihnen war auch Marei, jene, die von dem Monstrum in der Kutte vergewaltigt worden war. Keuchend half Henfir ihnen auf die Beine. Eine von ihnen nahm sich sogleich das Leben, als sie die Leichen ihrer Kinder entdeckte, deren Rücken verkrümmt und von roten Striemen überzogen waren. Die beiden anderen schleppten sich, die Augen stumpf ins Leere gerichtet, voran. Die Kinder, die ihnen nun einen Steinwurf vom Schauplatz entfernt ihre Hilfe anboten, nahmen sie nicht wahr, ebenso wenig wie den Krieger, an dessen Wangen Sturzbäche von Tränen hinabflossen. 
    Dem Tode näher als dem Leben wurden die acht, nach wie vielen Tagen, vermochten sie nicht zu sagen, von einem Trupp Späher aufgegriffen, der sie in das Heerlager brachte. Sie erreichten es am selben Tag, an dem Erden, Lou, Orthan und Kraeh zurückkehrten. 
     
    *** 
     
    Dorla und ihre Töchter hatten den Platz des Unheils mit eigenen Augen gesehen. Da sie keine Überlebenden gefunden hatten, waren sie schnellstmöglich zurück zum Heerlager gereist. Sofort als die acht jämmerlich anzuschauenden Gestalten herangetragen wurden, nahm sie sich der Frauen und Kinder an. Um Henfir bildete sich eine Traube von Männern. Die meisten waren Ehemänner und Väter der Ermordeten, ihre Augen rot von den vergossenen Tränen der letzten Nacht. Dem Krieger fiel das Sprechen schwer, trotz des Bechers mit warmem Tee, den Erden ihm an den Mund führte. 
    »Wir möchten es in allen Einzelheiten erfahren, spare nichts aus«, forderte er, schon jetzt beinahe besinnungslos vor Wut, wie seiner brüchigen Stimme zu entnehmen war. Orthan kam hinzu und hielt die unversehrte Hand warnend empor.  
    »Genau das wollte Niedswar erreichen, wir sollen blind vor Hass sein.« 
    Kraeh ahnte, dass das nur die halbe Wahrheit war. Vielmehr lag es nahe, dass der Feind befürchtet hatte, sie würden, in Anbetracht seiner Übermacht, vor der Schlacht zurückschrecken. Nie wieder würden beide Seiten derart große Armeen aufstellen können. Bran wollte es wohl ein für alle Mal erledigen, denn nichts war für einen Regenten schlimmer als ein ewiger Bürgerkrieg. Sein Ziel war erreicht, niemals vorher hatte so viel Bereitschaft zum Kampf wie in jenem Augenblick geherrscht, in dem Henfir das Erlebte mit gebrochener Stimme wiedergab. 
    Nachdem sein Freund, der Ohnmacht nahe, geendet hatte, drängte sich Pielsgar neben ihn. Die Faust gegen den trüben Himmel gereckt, hob er in weinerischer Manier an: »Es gibt Momente wie diesen, da wir verzweifeln mögen ob der scheinbaren Ungerechtigkeiten in dieser Welt. Ihr habt allen Grund zur Traurigkeit, doch gibt es Trost.« Er legte eine Pause ein. Ein Seitenblick auf Erden genügte zu sehen,

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