Rabenflüstern (German Edition)
dass dieser dem Priester am liebsten sofort den Garaus gemacht hätte. Allein der Umstand, dass einer seiner Freunde fassungslos zusammenbrach und Erden sich seiner annahm, rettete den Priester.
»So schlimm sie auch gestorben sind, ihre Seelen waren rein und ich habe keinen Zweifel: Sie sind bei Gott unsrem Herrn, wo sie in ewiger Eintracht an seiner Güte Anteil nehmen dürfen«, fuhr Pielsgar in festerer Tonlage fort. »Vergesst vor allem eines nicht«, seine Schweinsäugelein huschten dabei über die Gesichter der anwesenden Hauptleute, »man hasst nur jene, die man gleich schätzt. Heiden aber –«
Erden, den Kopf des Freundes in seine Schulter versenkt, konnte nicht länger an sich halten und fuhr im barsch ins Wort: »Das wird den Bastarden kaum nützen, wenn ich ihnen die Bäuche aufschlitze und auf ihren Eingeweiden einen Freudentanz aufführe.« Damit löste er den Mann aus seiner Umarmung und zog ihn aus der Menschentraube.
Der Pfifferling wollte weitersprechen, aber Kraehs Blick brachte ihn zum Schweigen. »Dir im Übrigen auch nicht, solltest du es wagen, heute noch mehr Scheiße aus deinem Mund quellen zu lassen.«
Er musste wohl gespürt haben, wie ernst es dem gottlosen Krieger war, traf daher eine seiner seltenen vernünftigen Entscheidungen und ließ es auf sich beruhen.
Die Angst und Beklommenheit, die üblicherweise die Herzen der Kämpfer ergreift, wenn der Tag der Schlacht näher rückt, gab es nicht. An ihre Stelle trat eine ungeduldige Vorfreude. Einige von ihnen hatten nichts mehr zu verlieren und alle konnten sie es kaum erwarten, den feindlichen Soldaten diese Gräueltaten heimzuzahlen. Ein achthundert Mann starkes Heerlager voll von nach Rache dürstenden Kriegern stellte nicht nur für den Gegner eine Gefahr dar. Mit den entschlossensten zweihundert waren Erden und Kraeh ausgezogen, den Mördertrupp zu stellen, schon allein, um sie zu beschäftigen. Wie abzusehen war, hatte Niedswar sich längst aus dem Staub gemacht, aber so hatten sie wenigstens die sich unbehaglich hinschleppende Zeit überbrückt. Einen Tag nach ihrer Rückkehr waren die Klingen geschärft, die Helme und Rüstungen poliert und die Armee abmarschbereit.
Es ging nach Westen, nach Triberkh, wo sich in einem apokalyptischen Gemetzel, das der Pfifferling beim Abmarsch in grellen Farben prophetisch ausmalte, das Schicksal der Welt entscheiden würde.
An der Spitze des Heereszuges reitend, erlaubte sich Kraeh, einem ungemütlichen Gedanken nachzugehen, den er schließlich in Form einer Frage mit Orthan teilte. »Was geschieht, falls wir unterliegen?«
Der Magier zog die Stirn kraus. Nicht, weil die Frage ihn schockierte, sondern auf der Suche nach einem geeigneten Vergleich.
»Stelle dir den Kosmos als einen Baumstamm vor. Die Jahresringe stehen für die verschiedenen Welten, wobei unsre Perspektive sein muss, den innersten als Anfang zu begreifen. Du kennst meine und Heilwigs Theorien über die Ursachen des Bruchs … Wie dem auch sei, jedenfalls kam es zu Wellenbewegungen nach außen. Die Welten spalteten sich voneinander ab. Niedswar und jene, die ihm folgen, versuchen nun, sie im Zentrum, also hier, implodieren zu lassen. Wenn du so willst, sind sie demnach die Rebellen und wir stehen für die alte Ordnung der Dinge ein.«
Er tätschelte den Hals seines Pferdes. Da er kein guter Reiter war, hielt ihn allein die Gutmütigkeit des Tieres im Sattel, derer er sich daher unentwegt versicherte.
»Auf Ordnung, mein junger Krieger«, fuhr er beruhigt fort, »folgt immer Chaos. Alles, was wir erreichen können, ist, den Einzug seiner Herrschaft eine Weile hinauszuzögern.«
Henfir, der sich mittlerweile einigermaßen erholt und unbeabsichtigterweise dem Gespräch gelauscht hatte, meinte bitter: »Die Nornen haben bereits alles ausgemacht. Uns bleibt einzig übrig, gut zu sterben, um uns einen Platz in Walhall zu verdienen.« Die Kriegskrähe vermied es tunlichst, dem Freund von den heruntergekommenen Göttern jenseits des Styx zu erzählen, von jenem Ort, der so gar nicht mit den Vorstellungen, die dieser von der ewigen Halle haben mochte, zusammenging.
Vier Tage später erreichten sie die Ebene von Triberkh. Es war der Tag des Frühjahrsfestes, jener, an dem sich üblicherweise das ganze Land auf die Feierlichkeiten vorbereitete, um schließlich mit Gesang und Tanz die Dämonen des Winters auszutreiben. Gleiches hatten auch sie vor, nur ohne bunte Bänder im Haar, ohne Freudenfeuer und
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