Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
Vom Netzwerk:
entstellt von einem ungeheuren Hass, der Kraeh entgegenflutete. »Genau wie der Seher sagte, dein Hochmut kennt keine Grenzen!«, schrie er der Raserei nahe. »Tauchst hier mit einem Dummkopf, einer Dirne und einem Krüppel auf! Jetzt wirst du endlich für deine Schandtaten bezahlen!« 
    Kraeh sah zu Orthan, der in einer Drohgebärde seine Stimme erhob. 
    »Niedswar hat dein Herz vergiftet, Bretel. Wir wissen nicht, wovon du sprichst.« 
    »Von was ich spreche?«, keifte der Zwerg. »Ich spreche von Thorwik, dem einzigen Freund, den ich je hatte.« Er meinte den Kapitän der Fraja , mit dem sie vor langer Zeit dem Zwerg in Haagstadt begegnet waren, wo dieser damals eine Schmiede geführt hatte. 
    »Der da«, sein dicker Zeigefinger ruhte auf Kraeh, »hat ihn gemeuchelt, um ihm sein Schiff zu stehlen!« 
    »Bretel«, hob der Krieger beschwichtigend an, da er erkannte, dass sein Gegenüber einer infamen Lüge aufgesessen war, aber ihm wurde das Wort abgeschnitten. 
    »Genug!«, brüllte der Verblendete. »Euer Tod wird mir eine Freude sein!« 
    Erden, der sich bisher herausgehalten hatte, weil das Gerede für ihn keinen Sinn ergab und er lediglich einen raffgierigen Verräter vor sich sah, ließ die Kugel seines Morgensterns fallen. 
    »Falsch, du Missgeburt … Du wirst an gar nichts mehr Freude haben«, sagte er bestimmt, wobei er leichthändig die gewaltige Waffe zum Schwingen brachte. 
    »Tötet sie endlich!«, gellte der Zwerg. Er selbst stand immer noch hinter den Soldaten und hatte offensichtlich nicht die Absicht, an dem Kampf teilzunehmen, dessen Ausgang er für ausgemacht hielt. 
    Ein Dutzend gegen vier stellte in der Tat ein riskantes Ungleichgewicht dar, auch für die drei verwegensten Krieger, die es damals auf dem Angesicht der Erde gab. Doch sie hatten den Magier dabei. Schon schritt er nach vorn und vollführte bizarre Bewegungen, die wegen seiner fehlenden Hand umso merkwürdiger erschienen. Dabei intonierte er inbrünstig einen fremdartigen Singsang. Da Kraeh befürchtete, dass einer der Soldaten die Gefahr erkennen und versuchen würde, dem Magier sein Schwert in den Bauch rammen, bevor der Zauber seine Wirkung entfalten könne, rannte er los. Zu recht, denn auf der anderen Seite stürmte ein Mann sein Schwert schwingend ebenfalls los. Beide hatten sie jedoch den Magier unterschätzt. Drei Schritte vor ihm stürzte der Soldat in den morastigen Boden. Er heulte vor Schmerz, als er an sich hinabsah und seine Füße nicht mehr vorfand. Sie steckten ein Stück hinter ihm, wo er gestolpert war, in seinen eisüberzogenen Stiefeln. Zwei weitere brachte Orthan auf diese grausame Art zu Fall. Die anderen, bestürzt von der Macht des Magiers und damit bar jeden Selbstvertrauens, richteten Lidunggrimm, Pian Anam und Erdens Morgenstern, der auch Bretels Kopf zertrümmerte. 
    Als sie mit ihrem blutigen Handwerk fertig waren, widmeten sie sich dem ersten Opfer von Orthans Fluch. Unter der Androhung weiterer Zauberei war er gesprächig wie ein Spatz. Er plapperte alles ihm von Bretel Anvertraute vor. Nach dem missglückten Plan, sie vor Lehmstadt ins offene Messer rennen zu lassen und seinen Gewinn zu verdoppeln, worüber sie schon von Dietbod erfahren hatten, sei der Zwerg nach Brisak geflohen, wo er direkt von den Wachen in Ketten gelegt und zu Niedswar geschafft worden sei. Dieser war über sein doppeltes Spiel, hinter dem der Fürst Maet die Fäden gezogen hatte, bereits vollends unterrichtet gewesen, habe ihm jedoch Gnade für sein Scheitern versprochen, unter der Bedingung, den Winter hier zu verbringen. Er wolle ihm nichts vormachen, habe der Seher gesagt, früher oder später würde Kraeh auftauchen und versuchen, sich an ihm zu rächen. Dann habe er ihm versichert, dass auch er nach Vergeltung trachte, weil Kraeh seinen Freund auf offener See ermordet habe, bevor er mit dem geraubten Schiff nach Skaarbrok gesegelt sei. »Ich schwöre – das ist alles«, jammerte der Befragte. Lou gab ihm den Gnadenstoß. Wortlos ließen sie sich den Bericht durch den Kopf gehen. 
    »Wir reiten sofort zurück«, sagte Kraeh schließlich in zittrigem Tonfall. »Man hat uns getäuscht; das war eine Ablenkung.« 
     
    Es war ein milder, verregneter Morgen, dennoch erwachte Henfir mit fröstelnden Gliedern. Anstelle von Dorla, die einen Tag zuvor mit ihren Töchtern in den Wald gegangen war, um ein Ritual durchzuführen, über dessen Zweck sie nichts hatte verraten wollen, versorgte ihn nun Tala – ein fünfzehn

Weitere Kostenlose Bücher