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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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gewesen, in froher Erwartung auf dem Schlachtfeld zu erscheinen. Von dem Pfifferling abgesehen, der selbst unter jenen als Spaßverderber und impotent galt, die jeden Morgen freiwillig seine Predigten über sich ergehen ließen, hielt sich nur einer bei den abendlichen Gelagen und Ausschweifungen zurück. Viele hielten Kraeh für zu ernst, doch war er zu dieser Zeit lediglich ernsthaft an den Menschen und ihren Gedanken interessiert. Echter Austausch, sagte er eines Nachts zu Henfir, auf dessen Schoß sich eine Drude rekelte, verlange nun einmal nach einer gewissen formalen Strenge. Es gebe immer Leute wie Dietbod, Gnadnit – er zählte einige weitere Namen auf –, mit denen man sich prächtig über die Schwanzlänge streiten könne. »Dann gibt es andere, die wirklich bereit sind, etwas von sich preiszugeben«, führte er seine Gedanken fort. »Wie dich zum Beispiel.« Die Drude kümmerte sich nicht im Mindesten um Kraehs Gerede, ihre Hand hatte sich gerade zu einem bestimmten Körperteil hervorgearbeitet, was dem in seiner Aufmerksamkeit zweigeteilte Nordmann einen grunzenden Laut abrang. »Morgen, in Ordnung?« 
    Kraeh lachte. Über die Verlegenheit des Freundes ebenso wie über sich selbst. Er erhob sich und machte sich auf zu Dorla, die fast immer zu einem tiefschürfenderen Gespräch bereit war. Lou ging er, soweit es möglich war, aus dem Weg. Sie erinnerte ihn an Sedain, dessen Abkehr von ihm ihn nach wie vor bedrückte.  
    Erst im Zuge des letzten Festes, mit dem sie den Göttern für den arkadischen Winter dankten, landeten die beiden in ihrem Zelt. 
    »Versuch’s dir zu verkneifen, dich an mir zu vergreifen«, wiederholte sie singend ein zuvor von Erden erdichtetes Säuferlied, während Kraeh sie von ihrem Unterkleid befreite. Er küsste ihre Scham und der trunkene Gesang verwandelte sich zuerst in Summen, dann in Stöhnen. 
    Am nächsten Morgen trennten sie sich wortlos. Sie waren Krieger; die Zeit für schwermütige Gedankengänge und das Aufbrühen alter Liebschaften war vorbei. Es galt, einen Krieg zu führen. 
    Das Winterlager wurde geräumt, Frauen und Kinder wieder verabschiedet. Die Geistfrau führte sie gemeinsam mit zwanzig Männern in Waffen in den Wald. Unter ihnen befand sich auch Henfir, der an einer Lungenentzündung litt.  
    »Keine Sorge«, sagte Dorla noch zu Kraeh, »bis zur Schlacht ist er wieder auf den Beinen.« 
    Die Übrigen zogen zu dem alten Heerlager, das sie nun mit Palisaden ausbauten. Der Schnee war geschmolzen, doch der Boden glänzte noch im eisigen Schimmer des Frostes. Einer nach dem anderen fand sich zur verabredeten Zeit ein, tauschte erneut Sense, Hammer und Säge gegen Schild, Speer und Schwert. Statt der weichen Umarmung von Weib und Nachkommenschaft schlugen die Hände im Kriegergruß hart ineinander. Übungskämpfe wurden veranstaltet, um das Erlernte zurück ins Bewusstsein zu rufen. Nach zehn Tagen waren sie, entgegen Erdens Befürchtungen, beinahe wieder vollzählig. 
    Einer der Letzten, der hinzukam, erzählte, in seinem Dorf habe ein Dutzend Soldaten Unterschlupf gefunden. Sie seien von dem Wintereinbruch überrascht worden. Einer von ihnen sei von außergewöhnlich kleinem Wuchs und trage den Namen Bretel. Erden, Lou, Kraeh und der Magier sattelten auf und machten sich auf den Weg, um den Verräter zu stellen. Der, der die Meldung überbracht hatte, diente ihnen als Führer. Sie waren froh darüber, die Verantwortung für die sechs Tage, die das Unternehmen brauchen würde, an ihre Hauptleute abtreten zu können. Sie ritten zügig und schweigsam; ein jeder genoss die Ruhe, für die bei den hektischen Vorbereitungen im Lager kein Raum war. 
    Die Siedlung bestand nur aus wenigen Gehöften, an die sich brachliegende Felder schmiegten. In der Mitte stand eine kleine Kapelle, die an ein baufälliges Ratsgebäude angelehnt worden war und auf dessen mitgenommenem Rietdach nun eine milde Mittagssonne schimmerte. 
    »Dort«, wies der junge Mann auf einen größeren Stall unweit der Kapelle, aus dem Rauch aufstieg. Sie banden ihre Pferde an und gingen den Rest, vorbei an den Feldern, zu Fuß. Man hatte sie wohl bemerkt, denn als sie den Ortsrand überschritten, öffnete sich der Eingang des Stalls und hinaus traten zwölf Mann in Waffen, hintendrein lief Bretel. 
    Der fette Zwerg stieß ein hämisches Lachen aus, als er die vier näher kommen sah. Zehn Schritte voneinander entfernt hielten sie an. Abrupt brach das Gelächter ab. Das Antlitz Bretels war

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