Rabenflüstern (German Edition)
Hauptleuten letzte Anweisungen für die Schlacht erteilte, die auf unehrenhafte Weise im Vorfeld entschieden werden sollte. Die Vorstellung, sein hoher Vater könne ihm vom Jenseits aus zusehen, gepaart mit der Abneigung gegen den heimtückischen Halbelfen, der aus seiner Verachtung gegen seine Person von Anfang an keinen Hehl gemacht hatte, trieb ihn zu einem verzweifelten Entschluss. Kaum einer schenkte ihm Beachtung. Wer sollte seine Abwesenheit schon bemerken? Sich noch einmal nervös umblickend, stahl er sich in die Richtung davon, aus der sie gekommen waren.
Lou und Kraeh beäugten unbehaglich, wie die wartenden Krieger zu trinken begannen. Sie hatten sie lange stehen lassen. Man konnte nicht wissen, ob der Feind plötzlich vorrücken würde, also mussten sie bereit sein. Es war durchaus nicht ungewöhnlich, sich vor der Schlacht zu betrinken. Schon allein die Vorstellung an das Blut, die Schreie und Verstümmelungen konnten dem erfahrensten Soldaten den Angstschweiß aus den Poren treiben, doch ein guter Feldherr sollte dafür sorgen, dass es möglichst wenig Gelegenheit dazu gab. Als Henfir mit den dreißig Bogenschützen zurückkam und meldete, der Prinz hätte nicht ein einziges Mal sein Zelt verlassen, verfinsterte sich Kraehs Stimmung umso mehr. Sedain, der ein gutes Stück abseits stand, winkte ihn zu sich. Alle Fragen und Einwände überhörend, führte er ihn in die Dünen, wo er sich lauernd in die Hocke begab. Der Kriegsherr folgte ungeduldig seinem Beispiel. Sie mussten nicht lange warten, dann sahen sie den Skalden Leoswan, wie er in geduckter Haltung durch das hohe Gras schlich. Erst verstand Kraeh nicht, doch als er es tat, sprang er aus seinem Versteck und schnitt dem Skalden den Weg ab. Erschreckt fuhr dieser zusammen, sammelte sich jedoch sogleich wieder.
»Ach, du bist es nur. Den Göttern sei Dank! Ich befürchtete schon die Nordmänner hätten mir aufgelauert …«
Jetzt bemerkte er auch Sedain, der gemächlich auf ihn zuschlenderte. »Du meinst deine Freunde?«, fragte der Halbelf.
»Wer sollte einem verräterischen Bastard wie dir schon auflauern?«, schäumte Kraeh.
»Außer«, ergänzte Sedain, wobei seine Hand unter den Mantel griff, wo die Armbrüste hingen, »jenen, die du gerade verraten hast.«
Der arme, hagere Mann erkannte die Aussichtslosigkeit der Lage, in die er sich manövriert hatte. Er begann, zu stottern und um Gnade zu winseln. Doch die zwei Augenpaare ruhten kalt wie Stahl auf seiner zitternden Gestalt. Als er sah, dass sein Flehen nichts brachte, wechselte er die Taktik: »Du hast deine Unsterblichkeit aufs Spiel gesetzt, ich wollte nur –« Kraeh zückte Schmerz aus seiner Scheide und schnitt ihm Wort und Kopf in einem ab.
»Es gibt keine Unsterblichkeit in dieser Welt«, sagte er und wusch mit einem Tuch das Blut von der Klinge. Sie machten sich auf den Rückweg. »Schade, er hat ein nettes Lied über mich geschrieben.«
»Ist mir nicht entgangen«, bemerkte Sedain beiläufig, »er war ein Stümper.«
Zurück bei dem wartenden Heer, bot sich den zweien ein erhebender Anblick. Die Abendsonne tauchte die Helme, Schilde und Rüstungen in rötliches Licht; die drei Kriegszüge, links zu Pferd Orks und Menschen, an ihrer Spitze Lou, rechts Plänklerregimenter, an deren äußersten Stelle Henfir und seine Bogenschützen standen, und in der Mitte, wo Kraeh und Sedain sich einreihten, die Hauptstreitmacht, deren vorderste Linie fast nur aus den Schrecken einflößenden Minotauren bestand, wirkten wie aus einer fernen, sagenhaften Welt. Von der Küste her erschallten Hörner. Der Feind rückte an, und auch sie setzten sich in Bewegung. Kraeh schätzte, dass die Nordmänner ihnen zwei zu eins überlegen waren, doch sie besaßen keine Reiterei und er hatte noch eine weitere Überraschung für sie bereit.
Auf zwei Hügelkämmen standen sie sich schließlich gegenüber. Keiner wollte hügelan kämpfen und so verharrten sie einige Augenblicke in abwartender Haltung. Der Prinz der Nordmänner, gut gedeckt von seinem eigenen und den Schilden der Männer neben ihm, spuckte die erste Verwünschung aus, dann folgten weitere. Ein gutes Dutzend trat aus den Reihen der Feinde, sie warfen ihre Kleidung ab und schwangen riesige Äxte über ihren vor Wahn glänzenden Gesichtern. Berserker. Sie hatten diesen Augenblick vorausgesehen und schon schwirrten Pfeile. Die Hälfte der Berserker ging zu Boden, der Rest stürmte, die Geschosse in ihren Leibern
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