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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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Zügeln hinter sich her. Sie waren einige Zeit unterwegs, Kraeh überlegte sich bereits, umzukehren und die Suche abzubrechen, da war ihm, als vernehme er ein Geräusch. Abrupt blieb er stehen und sah in die Richtung, aus der nun eindeutig Rascheln zu hören war. Ein gutes Stück vor ihm erkannte er unten im Hohlweg den efeuumwachsenen Eingang einer Höhle. Lauschend ging er in die Hocke. Das Loch war eindeutig zu groß für einen Fuchs- oder Dachsbau. Zu dem Scharren mischte sich ein Brummen, dass sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Pochenden Herzens versuchte er, sich all die verstreuten Erzählungen, die er über die Jagd gehört hatte, zu vergegenwärtigen. Er war Krieger, kein Jäger. Er überlegte, ob es nicht das Klügste wäre, einfach kehrtzumachen; doch was auch immer in dieser Höhle hauste, musste vor einer Begegnung mindestens ebenso viel Angst haben wie er, erinnerte er sich an eine lange zurückliegende Belehrung seines Ziehvaters. Wie waren seine Worte noch genau weitergegangen? Genau: Dies gilt für alle Wesen des Tierreichs, es sei denn, du bist einmal alleine unterwegs und hast das Pech, auf ein Rudel Wölfe oder einen Bären zu treffen …  
    Kaum hatte er dies gedacht, schob sich ein riesenhafter, schwarzbrauner Kopf zwischen hängenden Wurzeln und Efeuranken hervor. Für einen Moment stand Kraehs Herz still. Ein Braunbär, der Widerrist fast so hoch wie der seines Pferdes – das jetzt unbehaglich schnaubte und drohte, sie zu verraten –, kroch ungelenk aus seiner Behausung. Zum Fortrennen war es zu spät. Immer noch in den Knien, verharrte Kraeh reglos in der Hoffnung, von dem Ungetüm nicht bemerkt zu werden. In einer Mischung aus Angespanntheit und Faszination sah er dabei zu, wie das Tier mit der abgeplatteten Stirn und dem kurzen muskulösen Nacken, die vorstehende Schnauze schnüffelnd in die Luft hob. Seine dunklen Augen richteten sich genau auf sie. Der Rappe wieherte und stieg. Sie waren aufgeflogen. Der Bär stellte sich auf die Hinterbeine; so zu seiner vollen Größe aufgerichtet, hätte er selbst Siebenstreich überragt. Unwillkürlich verlor Kraeh die Balance, stürzte nach hinten, und als er sich wieder aufgerichtet hatte, preschte der Bär bereits auf ihn zu und knickte dabei junge Bäume um. Das Biest war gewaltig; es sah nicht so aus, als würde es sich durch einen einzigen Wurf aufhalten lassen, und so wartete der Krieger mit eisiger Miene ab, bis das Tier den Kamm erreicht hatte, um ihn dann gezielt aufzuspießen. Wie erwartet stieg der Bär kurz vor ihm wieder auf die Hinterläufe, um ihn in einer tödlichen Umarmung zu zerquetschen. Der Speer zuckte vor und drang durch das struppige Fell ins Fleisch. Doch damit war das Biest keineswegs am Ende, vielmehr schien es, als sei es nun richtig sauer. Seine linke Pranke zerbrach den Speer kurz unterhalb der Spitze, die im Rumpf stecken blieb. Die andere Pranke traf Kraeh an der Schulter, dass er die Böschung hinuntergeschleudert wurde. Benommen fand er sich am tiefsten Punkt des Hohlweges liegend wieder, von wo aus er dabei zusehen musste, wie der Bär seinem vor Angst wiehernden Pferd von hinten die Tatzen in die Flanken trieb. Blut spritzte und in wenigen Augenblicken hatte er dem treuen Streitross so tiefe Wunden zugefügt, dass es schnell verblutete.  
    Die Schulter des Kriegers schmerzte, doch jetzt war er es, der die Sache persönlich nahm. Er hob den Rest des Jagdspeers auf und zog Lidunggrimm aus seiner Scheide. Entschlossen blickte er zum Bären und stieß einen Kriegsschrei aus, der den blutverschmierten Widersacher anlocken sollte. Wieder knickte der wütende Riese kleinere Bäume um und wieder richtete er sich vor ihm auf. Doch diesmal ließ sich Kraeh von der vermeintlichen Schwerfälligkeit des Tiers nicht täuschen. Blitzschnell zog er ihm die Klinge über die Beine und setzte zurück. Ein schmerzverzerrtes Knurren begleitete das stampfende Geräusch, als es auf alle viere fiel. Einen kurzen Moment fanden sich ihre Blicke, dann schickte der Bär sich zu einem todesmutigen Satz an. Der Krieger ließ das Schwert fallen und riss den gesplitterten Speer hoch. Die Wucht des Aufpralls riss beide zu Boden. Im Fallen entglitt Kraehs Händen der Speer und verhakte sich in einer starken Wurzel. Durch das eigene Gewicht trieb sich der Bär das Holz tief ins Herz und drohte Kraeh unter sich zu begraben. Im letzten Augenblick gelang es dem Krieger, sich zur Seite zu rollen und damit der Last des gefällten Riesen zu

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