Rabenflüstern (German Edition)
echter Zaubersprüche, die bekehrte Gemeinde gegen sich aufgebracht hatte. In den angrenzenden Wäldern hatten die Ritter den kleinen Stoßtrupp bereits erwartet und den Feind gestellt.
Auf Lous Frage, wie sie mit jenem Luitgher verfahren seien, strahlte Orthans Silberblick sie funkelnd an, aber es war der schna uzbärtige Anführer der Bretonen, der antwortete: »Was man eben mit einem macht, der einem seinen Glauben aufzwingen möchte. – Wir haben ihn an ein schönes, stabiles Kreuz genagelt und wie ein Schwein ausbluten lassen.«
Die Ritter lachten wieder laut, den anderen am Tisch war nicht danach zumute. Heikhe, die auf dem Schoß von Rhoderik saß, wollte wissen: »Was ist jemanden ans Kreuz schlagen ?« Kraeh hörte nicht, was der Alte ihr sagte, war aber froh darum, es ihr nicht selbst erklären zu müssen.
Viel wurde an solchen Abenden geredet und getrunken. Es war eine Zeit des Ausruhens und Kräfteschöpfens. Über jenen eigentlichen, verborgenen Kampf, wie Heilwig ihn angedeutet hatte, erfuhren die Freunde nichts weiter und mit den Tagen vergaßen sie allmählich die düsteren Anzeichen.
***
Tage und Monde waren ins Land gezogen, der Sommer den Herbstwinden gewichen. Im Widerspruch zur sterbenden Natur erfreute man sich in Skaarbrok des Lebens. Wie üblich hatte Kraeh den Morgen und Vormittag in der Bibliothek verbracht, den Freunden, die keinen Zugang zu ihr hatten, schmuggelte er Schriften raus, um die sie ihn baten. Ohne Zweifel war das nicht unbemerkt an Siebenstreich und Heilwig vorbeigegangen, aber sie hatten sich wohl darauf verständigt, es geschehen zu lassen, solange der Krieger sich alle Mühe gab, die Texte, sobald sie gelesen waren, wieder heimlich zurückzubringen. Das Mittagessen nahmen sie gemeinsam in einer der drei Küchen der Festung ein, wo eine dickliche Magd sie nicht nur mit den Resten des Gelages der Nacht, sondern auch mit den Kabalen und dem Tratsch, wie er in jeder Burg kursiert, versorgte. Danach ruhten sie. Kraeh und Lou liebten sich, um sich dann, nachdem die fahle Sonne den Zenit überschritten hatte, im Hof gemeinsam zu den Waffenübungen einzufinden. Einige Male hatte Kraeh versucht, die in der Bibliothek studierenden Jünglinge ebenfalls dazu zu ermutigen, bis Siebenstreich Wind davon bekommen und ihn zurechtgewiesen hatte. »Sie sind besser als wir. Die Feder bleibt ihre einzige Waffe«, hatte er in endgültigem Tonfall gesagt und Heilwig hatte ihm erklärt, wie viel dem König an seinen Schützlingen lag, die er überall aus dem Land adoptiert hatte. »Er ist wie eine Trollmama«, hatte der Kobold ihn kichernd aufgeklärt, »seine Schoolars bedeuten ihm alles. Er schützt sie vor jeder noch so geringen Andeutung von Gefahr.«
Immer häufiger gesellte sich auch Orthan zu den Übungen. Auch wenn er nie eines der Übungsschwerter in die Hand nahm, die meiste Zeit neben Rhoderik saß und Pfeife rauchte, war er doch ein großer Gewinn. Zuweilen nämlich erläuterte er, wie man einem magischen Angriff ausweichen oder trotzen konnte. Heute hatte er keinen guten Tag, sein Rücken schmerzte und an seiner Pfeife nuckelnd bemühte er sich, seine Aufmerksamkeit auf Kraeh zu richten, der Heikhe gerade eine Lektion erteilte.
In einem schnellen Streich durchbrach er die Verteidigung des Mädchens und tippte ihr mit der Spitze des Übungsschwertes auf die Schulter. »Was habe ich dir gesagt?«
Heikhe machte einen Schritt zurück und ging erneut in Grundstellung. »Nie gegen die Klinge kämpfen.«
Kraeh seufzte. »Genau. Los, versuch es noch einmal.«
Langsam umkreisten sie sich, taxierten die Lücken des Gegners und änderten die Position ihrer Waffen. Er hing Gedanken nach, die ihn schon seit Längerem beschäftigten. Aus den Augenwinkeln beobachtete der Krieger Sedain und Lou, die ebenfalls trainierten. Er hatte den Verdacht, dass sie seit einiger Zeit mehr als nur Freundschaft verband, aber das war kein Problem für ihn. Wieso aber war Lou nicht längst in freudiger Erwartung, sie hatten sich unzählige Male auf den Fellen in seiner Kammer geliebt. Bestimmt kannte die Drude Kräuter, eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern, dachte er. Sein rechtes Schulterblatt schmerzte noch, wo der Druite Piersnick ihm, ohne dass es eines Wortes bedurft hätte, eine Krähe eingestochen hatte. Ob er sich nun wohl in sein Totem verwandeln konnte wie jener Mann aus Heilwigs Geschichte?
Plötzlich drehte Heikhe ihre Klinge um die seine und stieß
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