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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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nach unten zu gelangen.
    Während ich aus dem Schrank stieg, war ich noch vorsichtig, dann rannte ich los, die Stufen der beiden Treppen hinab.
    »He! Halt!«, schrie er.
    Ich hörte, wie er mir folgte, lief eilig zur Tür und griff nach der Klinke. Abgeschlossen, und kein Schlüssel im Schloss! Gehetzt stürmte ich zurück zu der Tür, hinter der ich das Bad vermutete. Von Meutinger war bereits auf der letzten Treppenstufe, als ich die Tür aufriss und in den kleinen Raum stürzte. Zum Glück hatte ich mich nicht getäuscht: Hier steckte wie bei den meisten Leuten der Schlüssel von innen. Gehetzt drehte ich ihn im Schloss, gerade rechtzeitig bevor der Falkner begann, an der Tür zu rütteln.
    Ich wartete nicht ab, ob die Tür halten würde, sondern sprang zum Fenster. Es war gekippt, hatte aber leider eine Verriegelung und ließ sich deshalb nicht ganz öffnen. Mir blieb also nur eins übrig: Ich stieg auf die Toilette, um näher am Fensterspalt zu sein, und schrie um Hilfe, so laut, wie meine Stimme es hergab.
    Schon von Meutingers erster Hieb mit der Axt drang durch das dünne Sperrholz der Tür. Meine Stimme wurde schriller, ohne dass ich es wollte. Draußen rief jemand in Panik: »Pia?« Der zweite Schlag der Axt machte das Loch in der Tür so groß, dass man schon beinah hindurchgreifen konnte.
    Fliehen , dachte ich. Oder war es Fliegen ? Ich spürte wieder das überwältigende Glücksgefühl, als ich mich verwandelte. Diesmal hatte ich noch genug Geistesgegenwart, um das Hemd abzustreifen, bevor ich schrumpfte. Warum ging das bei mir so leicht? Die anderen hatten doch gesagt, dass man sich nicht so einfach dauernd hin- und herverwandeln konnte. Die Türklingel läutete wieder Sturm.
    Von Meutingers Hand griff durch das Loch und tastete nach dem Schlüssel. Wütend schoss ich auf seine Hand los und hackte so kräftig hinein, dass Blut floss und er sie mit einem Schmerzensschrei zurückzog. Das reichte mir, ein größeres Risiko wollte ich nicht mehr eingehen, und außerdem fühlte ich mich immer erschöpfter. Eilig flatterte ich zum Fensterspalt, strampelte mich hindurch und gönnte mir keine Sekunde, um zu mir zu kommen. Ich flog um den Turm herum zur Eingangstür. Strix stand davor und klingelte nicht nur wie wild, sondern schlug auch mit beiden Fäusten gegen die Tür. »Lassen Sie sie heraus, sonst rufe ich die Polizei!«, schrie er. Sein Gesicht war vor Wut und Sorge verzerrt.
    Mir fiel ein Stein vom Herzen. So hätte sich ein Verräter wohl kaum benommen. Mit einem frohen Pfeifen landete ich kurz auf seinem Kopf, flog wieder auf und ließ mich einige Schritte entfernt von ihm auf dem Boden nieder.
    Strix zuckte zusammen, fuhr herum und kam auf mich zu. »Pia?«, fragte er, und er klang dabei hoffnungsvoll.
    Begeistert wippte ich mit dem Schwanz und ruckte mit dem Kopf, weil er so schnell verstand. »Schäckäckäck«, sagte ich. »Hol Hilfe.« Und rein aus Spaß fügte ich noch hinzu: »Diing dang doong.«
    Merkwürdigerweise schien ihn das eher zu verunsichern. Er hockte sich vor mich hin und streckte mir die Hand entgegen. »Bist du das wirklich, Pica?«
    Mit zwei eleganten Hopsern war ich bei ihm und sprang auf seinen Arm. Gut, dass er ein langärmeliges Sweatshirt trug, so konnte ich mich festkrallen, ohne ihm wehzutun.
    Er stand auf und entfernte sich mit mir auf dem Arm ein Stück vom Turm. »Ein Glück! Ich war bei deiner Oma, sie hat mir alles erzählt. Was machen wir nun? Die anderen sind immer noch da drin, oder?«
    Die Turmtür flog auf, von Meutinger starrte uns hasserfüllt an und zeigte drohend mit dem Zeigefinger auf uns. Strix ging vorsichtshalber noch einige Schritte rückwärts, ich fühlte, wie seine Muskeln sich fluchtbereit anspannten.
    »Ich bringe sie um, wenn ihr nicht schweigt! Hört ihr? Wagt es nicht, die Polizei zu rufen«, sagte er und schlug die Tür wieder zu.
    Selbst die dicken Wände konnten nicht verhindern, dass wir gleich darauf hörten, wie erneut brutal auf Holz eingeschlagen wurde. Von Meutinger setzte darauf, dass er Bubo und Jori in Vögel zurückverwandeln konnte, bevor wir Hilfe geholt hatten. Aber da täuschte er sich, denn die Fußfesseln hatte ich ja versteckt. Bis auf ein Paar. Das an den Füßen des Kondors. Ob Jori und Bubo inzwischen darauf gekommen waren, den Kondor zu befreien? Oder wagten sie sich nicht an ihn heran? Das musste ich herausfinden.
    Ich schwang mich in die Luft. Zum ersten Mal fand ich es ein bisschen anstrengend, aber Spaß machte das

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