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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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und versuchte erfolglos, mich freizuzappeln. Als von Meutinger seinen Griff änderte, ich wieder mehr Luft bekam und mit beiden Augen sehen konnte, waren wir in seiner Küche. Es lagen eine offene Packung Schwarzbrot und Wurst herum, doch mir war der Hunger vergangen. Nicht dass von Meutinger mir etwas angeboten hätte. Ohne mich loszulassen, öffnete er eine Schublade, nahm einen Tesafilmspender heraus und begann, meinen Schnabel zu umwickeln. Voller Panik sträubte ich mich und schüttelte den Kopf, weil er beinah meine Nase zuklebte.
    Er lachte sein schmutziges Lachen und legte meine Atemlöcher wieder frei. »Nein, keine Sorge, du sollst nicht jetzt gleich sterben. Zuerst habe ich noch etwas anderes zu tun.«
    Da ich mit meinem Gezappel nicht das Geringste erreichte, kam ich zu dem Schluss, dass ich mir meine Kraft lieber für später aufheben sollte, und hörte auf, mich zu wehren. Als er mit dem Tesafilm fertig war, machte er mit einer Rolle Paketschnur weiter und verschnürte mich wie ein Suppenhuhn. Anschließend nahm er mich wieder mit nach oben. Er öffnete die quietschende Tür seines antiken Kleiderschrankes, warf mich unsanft in eine Kiste mit Gürteln und Hosenträgern, die unter seinen aufgereihten Hemden und Jacken stand, und schloss die Tür wieder. Mann, war das dunkel hier.
    Aber verschnürt wie ein Suppenhuhn allein im Dunkeln eingesperrt zu sein war immer noch besser als in den groben Grapschhänden des widerlichen Falkners zu stecken. Ich atmete ein paarmal ganz tief, um mich zu beruhigen, und versuchte, nicht daran zu denken, dass ich es hasste, mich nicht bewegen zu können.
    Durch die Schranktür hindurch klangen alle Geräusche gedämpft, aber ich konnte hören, wie von Meutinger zur Bodentreppe ging. »Hallo, ihr da oben. Nun habe ich nicht nur den Habicht, sondern auch noch die verfluchte Elster. Wie gefällt euch das? Ich schlage vor, ihr lasst mich jetzt hochkommen und werdet freiwillig wieder zu meinen braven Vögelchen. Ich verspreche auch, dass es euch nicht wehtun wird. Und die beiden Vögel hier unten lasse ich dann auch am Leben. Na, ist das ein Angebot?«
    Ich quiekte wieder, diesmal vor Ärger. Der miese Lügner bluffte. Und wahrscheinlich würden ihm Bubo und Jori glauben, denn wenn sie gesehen hätten, dass Joris Mutter frei war, dann hätten sie sicher längst angefangen, aus dem Fenster um Hilfe zu schreien.
    Befreien musste ich mich, irgendwie diese Schnur loswerden. Aber der Verbrecher kannte sich aus. Ich wusste, dass er sogar den Knoten in meinem Rücken geknüpft hatte, wo ich mit dem Schnabel nicht herankam.
    Es gab nur eins, was ich tun konnte: Ich musste mich schnellstens zurückverwandeln. Dabei würde die Schnur garantiert zerreißen. Die Frage war nur, wie ich die Sache mit dem Verwandeln anstellen sollte. Offenbar waren auch Fortgeschrittene damit überfordert, es genau dann zu tun, wenn sie es wollten. Andererseits war ich ja nicht irgendein Habicht, sondern eine schlaue Elster. Schließlich funktionierte entgegen aller Warnungen auch mein Verstand die ganze Zeit erstklassig.
    Mit aller Macht konzentrierte ich mich auf das Menschwerden. Ich stellte mir vor, wie meine wunderschön blauschwarz schillernden Flügel zu bleichen, nackten, sperrigen Gliedmaßen wurden, die einigermaßen nutzlos und ohne Eleganz in der Luft herumruderten. Wie mein praktischer Schnabel sich in eine Futterluke und ein lächerlich sinnlos aus dem Gesicht herausragendes Riechorgan verwandelte.
    Nichts tat sich, ganz egal, wie sehr ich daran dachte.
    »Also, was ist? Habt ihr es euch überlegt?«, rief der Falkner wieder.
    Ding dang dong . Es klingelte, und von Meutinger fluchte, verließ aber nicht den Raum. Ich überlegte, ob es Hallo-komm-rein war, der mir den Trick nachmachte. Aber natürlich würde der Falkner nicht noch einmal darauf hereinfallen.
    Mit verdoppelter Anstrengung stellte ich mir vor, wie meine scharfen Krallen und starken Greiffüße zu plumpen menschlichen Laufstumpen wurden. Nein, es war hoffnungslos. Wenn es doch bloß etwas reizvoller gewesen wäre, ein Mensch zu sein. Omas Armbänder dabeizuhaben wäre nun gut gewesen, vielleicht hätten sie geholfen.
    Der Gedanke an Oma machte mich wütend und traurig. Nun hatte ich sie endlich wieder und war doch von ihr getrennt. Es konnte doch nicht angehen, dass dieser miese Falkner siegte und ich Oma nicht wiedersah. Oma und Mama und Papa und … ja, und Strix, der hoffentlich kein Verräter war.
    An der Turmtür klingelte es

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