Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
Vom Netzwerk:
Und bilde dir bloß nicht ein, dass du heimlich zurückkommen kannst, um unsere letzten Brombeeren zu pflücken.
    Respektgebietend schwungvoll abschwenken – gut so, Pia.
    Und wo war nun Leander? Nicht bei den Brombeeren. Nicht in der Kastanie. Nicht zwischen den glänzenden neuen Kupferkrönchen auf dem Rathausdach. Nicht im Stadtpark. Nicht in Omas Garten. Schneckendreck, wo war er nur?
    Oh, das ist Annabelles Garten. Meine ehemals beste Freundin. Die ganzen Ferien über hat sie sich nicht gemeldet. Und da sitzt sie draußen auf der Terrasse, mit ihrem Handy. Lässt es bei jemandem klingeln, aber der geht wohl nicht ran. Ob sie mich erkennt? Mal ausprobieren. Sturzflug. Landung auf dem schicken Gartenfackelständer. Handy immer noch an Annas Ohr. Jetzt hat sie mich gesehen. Langsam sinkt die Hand mit dem Handy herab, und sie zieht die Augenbrauen hoch. »Pia?«, fragt sie.
    Volltreffer. Ding dang dong.
    Sie lacht. »Stell dir vor, ich versuche gerade, bei dir anzurufen. Vorhin auch schon. Tut mir echt leid, dass ich vor den Ferien so zickig war. Du fehlst mir total.«
    Wow. Schäckäck, ding dong. Dafür ein Looping, kurze Zwischenlandung auf ihrer Schulter und Don’t worry, be happy gepfiffen.
    Und da lacht sie wieder, wie schön. »Also vergeben?«
    Na klar, schäckäck , ehemals und nun wieder beste Freundin.
    »Rufst du mich später an?«, fragt sie.
    Aaauiiaaauiiiaaauiiiaaa , sage ich. Wird gemacht. Aber jetzt habe ich es eilig, schließlich muss ich heute noch Leander finden. Bye-bye, Anna.
    Aber es kommt mal wieder, wie es meistens kommt: Nicht ich finde Leander, sondern er findet mich. Mein Herz schlägt Purzelbäume vor Freude, als er auf einmal von hinten über mich hinwegrauscht, dass sich mir die Federn sträuben. Eindeutig eine freche Herausforderung. Auf zur wilden Jagd. Nichts macht mehr Spaß.
    Wohin es geht, wird mir erst klar, als wir schon fast da sind: zum alten Bergwald mit dem großen Greifvogelhorst.
    Ich bin nicht halb so aus der Puste wie bei unserem letzten Besuch hier. Also werde ich wohl langsam flugfit.
    Leander führt mich wieder zu der Eiche, in der er seinen Elsternpalast gebaut hat. Im Gegensatz zu damals nimmt er nun auf dem Ast daneben Platz und lädt mich zur Nestbesichtigung ein. Was für eine Ehre! Ich bedanke mich mit viel Kopfnicken und Schwanzwippen, bis er richtig ungeduldig wird. »Nun geh schon endlich rein«, gibt er mir zu verstehen. Also tu ich’s.
    Könnte ich sprechen, würde mich der Anblick sprachlos machen. Ein überwältigendes Sammelsurium. Und jedes einzelne Teilchen hat einmal Pia gehört: bunte Holzperlen von einem Babyspielzeug, ein Schnuller, ein Söckchen, das verlorene Auge von meinem Kuschelschaf, ein glitzerndes Bruchstück von meinem Faschingskrönchen … Ein richtiges Pia-Museum. Sogar eins von meinen Armbändern liegt dort. Es war das, was ich von Oma zur Einschulung bekommen hatte und erst seit Kurzem vermisste. Tagelang hatte ich danach gesucht. Nun sah ich, dass ein Verschlussbändchen zerrissen war.
    Benommen vor Staunen schlüpfte ich aus dem Nest. Leander sah mich mit schiefgelegtem Kopf an. »Schäckäck?«, fragte er.
    Aber klar hatte ich kapiert. Eigentlich schon, als wir die Oma-Elster zur Oma zurückgebracht hatten. Wer machte sich schon die Mühe, einen alten Babyschnuller aufzubewahren, wenn nicht … »Schäckäck«, sagte ich, hüpfte zu ihm auf den Ast und berührte ihn mit dem Schnabel am Flügel, was bedeutet: Küsschen.
    Für ihn war das Antwort genug. Mit einem Rückwärtssalto und lautem Pfeifen ließ er sich vom Ast fallen und flog dann zielstrebig den Baum an, in dessen Wipfel sich der geheimnisvolle Riesenhorst befand.
    Spiralflug um den Baum herum nach oben, ich hinterher.
    Wo war er nun? Schon im Horst? Mal fix über den Rand gespäht.
    Ach du Schreck. Schäckäck! Fast wäre ich abgestürzt. Was war das denn? Der absolut hammerriesigste Falke, den jemals irgendjemand gesehen hat. Ein Elefant von einem Vogel.
    Und Leander hockt bei ihm und tut, als wären sie dickste Kumpels. Woher weiß ich, dass dieser Vogel mich nicht gleich frisst, wenn er mich bemerkt?
    Elstern schmecken grauenhaft, Kleine.
    Hat Er das gesagt? Ich meine, Verzeihung, Herr … Kannst du mit mir sprechen, du irre großer … Mannomann. Du bist echt beeindruckend.
    Danke. Tatanwi ist mein Namerflix. Mein Elsternfreund hier meint, du hättest eine Frage.
    Oh. Habe ich das?
    Bis dahin hatte ich in der Luft herumgerudert, um mich nicht setzen zu

Weitere Kostenlose Bücher