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Rabenherz & Elsternseele

Rabenherz & Elsternseele

Titel: Rabenherz & Elsternseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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angehalten. Was hatte Leander von Papa gewollt? »Was war das für ein Ding?«, fragte ich.
    Erstaunt sah er mich an. »Das war ein kleines …« Stirnrunzelnd kramte er in seiner Hosentasche. »So ein kleines Vorhängeschloss mit Schlüssel dran. Hier.«
    Er zeigte es mir auf seiner Handfläche.
    »Was soll das denn bedeuten?«, fragte ich mehr mich selbst als ihn.
    Papa lachte und schüttelte den Kopf. »Ich finde es schon eigenartig genug, wie dieser Vogel sich benommen hat, auch ohne zu glauben, dass es etwas Bestimmtes zu bedeuten hatte. Aber dir scheint es anders zu gehen. Wahrscheinlich hast du es dauernd mit zahmen, sprechenden Vögeln zu tun, die dich mit Dingen bewerfen? Du hast bestimmt all die Jahre mit deiner Oma geheime Vogelverhaltensforschung betrieben, stimmt’s?«
    Er lachte wieder sein gutmütiges, tiefes Lachen. Ich mochte es sehr, dass er so selbstsicher und ruhig wirkte. Plötzlich kam es mir vor, als würde ich ihn zum ersten Mal richtig sehen, obwohl er immer da gewesen war. Und ich fragte mich, warum gerade er mir nicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen war, als ich darüber nachgedacht hatte, wer mir helfen konnte. Richtig ungerecht fand ich mich dafür.
    »Papa, weißt du eigentlich, wie gern ich dich habe?«, fragte ich.
    Er riss die Augen auf und sah mich gespielt verblüfft an. »Ich dachte, so etwas darf man in deinem Alter auf keinen Fall durchblicken lassen. Es sei denn … Willst du mir vielleicht einen großen Gefallen abschmeicheln, mein Flöhchen?«
    Ich nickte. »Ich wäre froh über deine Hilfe. Aber lieb habe ich dich so oder so, keine Sorge.«
    Neugierig beugte er sich vor. »Ich bin dabei. Wird mir eine Ehre sein. In letzter Zeit hatte ich schon den Eindruck, du nimmst mich alten Langweiler gar nicht mehr wahr. Worum geht es?«
    Ich holte tief Luft. »Wir müssen zusammen eine Vogelscheuche zerstören.« Gespannt wartete ich auf seine Reaktion.
    Er lehnte sich im Stuhl zurück und verschränkte die Arme. »Wenn’s weiter nichts ist! Kettensäge, Beil, Benzinkanister, Feuerzeug … Wo steht das Ding? Wann fahren wir los?«
    »Erst musst du mir zuhören und mir glauben. Und du darfst dich nicht darüber ärgern, dass du das alles jetzt erst erfährst.«
    Seine Miene wurde ein wenig misstrauisch, aber er nickte. Also erzählte ich ihm die ganze Geschichte. Nur Leanders Geheimnis behielt ich für mich.
    Als ich fertig war, schwieg er erst mal. Ich glaube, er hatte ganz schön mit meinen Offenbarungen zu kämpfen. Schließlich musterte er mit zusammengezogenen Brauen das kleine Vorhängeschloss und räusperte sich. »Und nun meinst du, dass dein Elsternfreund Leander dir hiermit einen Hinweis geben wollte?«
    Ich nickte mit klopfendem Herzen. Glaubte er mir wirklich?
    Er zuckte mit den Schultern. »Dann ist die Sache möglicherweise ganz einfach. Du öffnest den Käfig, lockst den Raben heraus, und sobald er draußen ist, packe ich den Käfig, knalle die Tür zu und verschließe sie mit dem Schloss. Und dann warten wir ab, was passiert.«
    Das klang so aufrichtig und tatkräftig, dass ich ihm voller Begeisterung um den Hals fiel und ihn kräftig drückte.
    »Na, na, ist ja schon gut. Heb noch ein bisschen was auf, sonst bekomme ich im nächsten Jahr wahrscheinlich keine einzige Umarmung mehr«, brummte er.

    Ich lotste Papa dorthin, wo ich die Vogelscheuche vom Falkenhorst aus gesehen hatte. Er parkte das Auto vor einem leer stehenden, kleinen Bauernhaus, das so unscheinbar war, dass normalerweise niemand einen zweiten Blick darauf geworfen hätte.
    Ich checkte an meinen Hand- und Fußgelenken, ob meine Armbänder fest verknotet waren. Alle, die ich noch hatte auftreiben können, hatte ich mir umgebunden. Auf keinen Fall wollte ich mich an diesem Tag verwandeln.
    Meine Taschen waren mit Dingen vollgestopft, die ich für nützlich hielt: vom glitzernden Schlüsselanhänger, dem ich als Elster nicht hätte widerstehen können, über mein Taschenmesser bis zu einer Sardine und einem Stück rohem Schnitzel in einem Plastikbeutel.
    Papa hatte sich mit einer Sammlung von Werkzeug eingedeckt, mit der er wahrscheinlich das ganze Haus hätte abreißen können.
    Wir nickten uns ermutigend zu, und er schritt tapfer durch die halb offene Gartenpforte, obwohl der Zaun daneben nur noch in Bruchstücken vorhanden war.
    Dumpf, aber doch deutlich spürte ich die Furcht, die Kotanwis Nähe auslöste. In kleinen Wellen durchlief mich das unheimliche Gefühl und ließ mein Herz schneller

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