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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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Sommerhalt. Er hat ihre wahre Natur entdeckt, woraufhin sie ihn getötet hat. Das war vernünftig. Leider hatte der Mann seine Entdeckung nicht für sich behalten. Die Information geriet an die Möwen und die Anführerin handelte schnell: Sie überwältigte ihre Schwester bei der erstbesten Gelegenheit und sperrte sie in einen Käfig.“
    „ Diese Schwestern gehen nicht gerade zimperlich miteinander um“, sagte Elsa im Plauderton. Sie saß auf einer weißen Mauer im Sonnenschein. Weit weg von den Relings, die scheinbar keine sehr glückliche Familie waren.
    „ Jeder deiner Sätze“, erwiderte Gaiuper, „legt Zeugnis ab von deiner Schwäche. Zimperlichkeit ist deine hervorragende Eigenschaft. Du würdest natürlich untergehen, wärst du eine Schwester dieser beiden.“
    Gaiuper stand aufrecht, er saß nicht gerne, stehend schien er sich wohler zu fühlen. Er blickte in diesen Tagen häufig in die Ferne. Seine entzündeten Vogelaugen ruhten sich hinter dem Horizont aus.
    „ Amandis geht es genauso“, sagte Elsa. „Sie fühlt sich ganz verloren zwischen diesen Schwestern. Dabei ist sie die Netteste.“
    „ Amandis – ja, der Name sagt mir was. Sie wird König Nada heiraten.“
    „ Wie bitte?“
    Elsa glaubte, sich verhört zu haben. Die junge, verträumte Amandis sollte den schweren, schnaufenden Riesen mit dem roten Bart und der Lockenmähne heiraten?
    „ Wir haben einige Unordnung in Sommerhalt hinterlassen. Sistra ist eine alte Freundin des Königs, sie kam angereist, um ihn beim Wiederaufbau zu unterstützen. Sie hatte ihre kleine Schwester dabei, so ist es wohl gekommen. Ich erzähle dir das nicht, weil ich mich für so einen Unsinn interessiere, sondern weil es für meinen Plan, den ich mit dir habe, eine Rolle spielt.“
    „ Ach ja, und welche?“
    „ Das erfährst du noch. Jedenfalls wirst du nicht so einfach davonkommen.“
    „ Meinetwegen nicht einfach – aber davonkommen werde ich?“
    Gaiuper ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Er machte sich sogar die Mühe, seinen Blick vom Horizont zurückzuholen und auf Elsa zu richten. Auch er war nicht zimperlich, das merkte sie daran, wie kühl er sie abschätzte, ohne jedes Mitgefühl.
    „ Es gibt Katzen, die lassen ihre Beute frei, weil es ihnen Spaß macht, sie wieder einzufangen“, erklärte er ihr. „Die Maus hofft zu überleben, aber in Wirklichkeit ist es eine vergebliche Qual für sie.“
    „ Ich bin mal von einer Maus gebissen worden“, sagte Elsa. „Als ich sie vor einer Katze retten wollte.“
    „ Hast du ihr den Hals umgedreht?“
    „ Ich habe sie vor Schreck losgelassen. Sie fiel auf die Erde und hat sich in Sicherheit gebracht.“
    „ Erinnerst du dich an den Vertrag, den du unterschrieben hast?“, fragte Gaiuper.
    „ Nein.“
    „ Er gilt. Ganz gleich, wer dich zu retten versucht und wen du auch zum Dank dafür beißen wirst: Du wirst dich niemals in Sicherheit bringen können. Geh mir nun aus den Augen, ich habe eine Verabredung mit Holanda.“
    Trotz dieser wenig freundlichen Aussichten kam Elsa nicht in Versuchung zu fliehen. Dazu war es zu schön, zu friedlich in der Ganduup-Festung. In aller Ruhe kurierte sie hier ihre zahlreichen blauen Flecken aus. Keine Möwen, keine Ausgleicher machten Jagd auf sie. Die Rabendiener behandelten sie zuvorkommend, wenn auch lauernd und mit Spott in den Augen. Für die Ganduup selbst war Elsa Luft. Sie schien nicht weiter wichtig zu sein und das war die angenehmste Behandlung für sie.
     
    Die Ganduup webten Traumstoffe. Wie Nebel sahen die Stoffe in den Webstühlen aus, gleißendes Licht, weiß glühende Wolken, Bündel von milchigem Sonnenlicht. Elsa beobachtete, wie die Schiffchen von unsichtbarer Hand hin- und hergeführt wurden. Die Priesterinnen saßen mit den Händen im Schoß davor und waren in ihre Arbeit versunken, die sie mit den Augen verrichteten. Einmal griff Elsa in den Stoff hinein und verbrannte sich die Fingerspitzen. Seltsam fühlte sich das Brennen an. Wie Sehnsucht, die sich nicht abschütteln lässt, heiße Tränen, verzweifeltes Wünschen und Bangen.
    „ Was macht ihr damit?“, fragte sie.
    Die Priesterinnen antworteten nicht. Sie blieben konzentriert, als wäre Elsa gar nicht da. Elsa fragte eine Ganduup-Wäscherin, die im Freien in den Waschbottichen rührte, was es mit den Stoffen auf sich hätte.
    „ Aus den Stoffen werden Augenbinden und Fesseln gemacht. Fessle einem Menschen die Hände damit und er ist verloren.“
    „ Verloren in was?“
    „ In Liebe.

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