Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)
gar nicht mehr so mitgenommen aus. Einen Winter noch und es wäre wiederhergestellt. Noch ein Sommer und die neuen Gärten rund um das Schloss würden wieder blühen. Fast beneidete Elsa Amandis um ihre Zukunft in diesem Land. Warum konnte nicht Elsa an so einem schönen Ort leben, ganz normal, ohne Angst und ohne Todfeinde? Allerdings auch ohne Ehemann, wenn sie die Wahl hätte. Sie würde keinen beleibten Riesen heiraten wollen, selbst wenn er der König von Istland gewesen wäre. Aber so einen gab es ja sowieso nicht, denn Istland war ein junges Land mit einer jungen Demokratie und so etwas wie Könige hatte es dort nie gegeben, was ja auch viel vernünftiger war.
Elsa hielt es für sinnlos, in einem schmutzigen Sommerkleid barfuß durchs Schloss zu schleichen. Daher wählte sie die Gestalt einer Katze, einer schwarzen Katze, wie sie mit einem Blick auf die Pfoten ihres neuen Katzenkörpers feststellte. Da sie normalerweise Vogelgestalten bevorzugte, fühlte sie sich als Katze unwohl. Zumal diese Katze großen Appetit auf Federvieh hatte. Es war ja auch lange her, dass Elsa etwas gegessen hatte. Sie musste sich das mal merken – erst satt essen, dann in ein Tier verwandeln – denn hungrige Tiergestalten waren besonders widerspenstig. Es fing damit an, dass die Katze durch die halbe Schlossanlage lief, um dann zielsicher den ersten Raum anzusteuern, der nach Essen roch, und das war die Küche. Dort gab ihr eine gutmütige Küchenhilfe auch gleich einen halben, schon etwas stinkenden Fisch, den die Katze zu Elsas Bedauern flink und eifrig abnagte. Zum Nachtisch gab es Milch von einem Teller mit Essensresten, die mehr als unappetitlich aussahen. Der Katze machte es nichts aus. Von der Küche aus machte sie sich auf den Weg in den Pferdestall. Die Katze war zwar nicht mehr hungrig, doch hätte sie gerne ein paar Mäuse gejagt, oder noch besser, ein Schläfchen gehalten. Elsa verlor allmählich die Geduld. Katzen – oder zumindest diese – waren äußerst schwer zu lenken. Sie hatten einen zu starken Willen oder eine zu unabhängige Seele.
Liebend gern hätte Elsa ihre Gestalt gewechselt, doch es liefen zu viele Menschen herum, die sie hätten beobachten können. Also nahm sie hoch oben im Stall auf einem Querbalken Platz und beobachtete schläfrig, wie Stallburschen, Wachen und Boten den Stall betraten und wieder verließen, mal mit, mal ohne Pferd. Es dauerte nicht lange, da war die Katze in eine Art Halbschlaf mit offenen Augen gefallen. Immerhin gelang es Elsa, im Hinterkopf der Katze bei Bewusstsein zu bleiben. Hartnäckig beobachtete sie das Geschehen im Stall und versuchte vergeblich, etwas Interessantes herauszufinden. Gleichzeitig beschloss sie, nie wieder eine Katze zu werden.
Irgendwann ließ ihre Aufmerksamkeit nach und sie wäre fast selbst eingeschlafen, wären da nicht zwei Männer in den Stall gekommen, die sehr nach Antolianern aussahen. Woran Elsa das erkannte, war ihr selbst nicht so klar. Vielleicht weil sie aufrechter gingen als die Soldaten aus Sommerhalt, weil sie so auffällig gesund und kräftig aussahen, hoch gewachsen waren, ernsthaft blickten, so gewissenhaft und stolz. Sie wären dazu geeignet gewesen, auf Istlands bunten Illustrierten die Titelseiten zu schmücken, vielleicht war es das. Diesmal war Elsas Wille, die beiden zu belauschen, so stark, dass die Katze widerstrebend gehorchen musste. Sie tänzelte über den Balken und ließ sich ziemlich plump neben den Antolianern auf den Stallboden fallen. Aber die beiden beachteten sie nicht, sie hatten Wichtigeres zu besprechen.
„ Ich würde wesentlich mehr Wachen aufstellen. Wenn ich gehe, seid ihr nur noch zu viert.“
„ Es ist nur eine Hochzeit in einer unaufgeklärten Welt. In Antolia fragen sie sich, warum wir überhaupt hier sind.“
„ Weil es offensichtlich etwas gibt, das die Feinde hier gesucht haben. Sie werden wiederkommen. Es ist albern von Antolia, jetzt Entwarnung zu geben!“
„ Aber vielleicht kommen sie erst in zehn Jahren. Wer kann das schon wissen?“
„ Was ist mit den Möwen? Es werden täglich mehr! Man muss sie im Auge behalten.“
„ Das tun wir, mach dir keine Sorgen.“
„ Ich mache mir aber Sorgen.“
Der besorgte Antolianer hatte mittlerweile sein Pferd vom Stalljungen in Empfang genommen. Er führte es auf den Hof, begleitet vom anderen Antolianer.
„ Jetzt erhol dich erst mal. Du warst schon viel zu lange hier.“
„ Mir geht es gut.“
„ Ja, aber vor ein paar Monaten wärst du
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