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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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ihr.
    „ Ulissa!“, rief Amandis und fiel vor Staunen fast von der Fensterbank.
    „ Das ist nicht Ulissa“, sagte Anbar. „Willst du dich nicht auf einen Stuhl setzen?“
    Diese Frage war an Elsa gerichtet, die auf dem Boden saß und noch überlegte, wem sie zuerst an die Gurgel springen sollte. Sie war wütend. Doch der Antolianer, der sie in diese Gestalt gezwungen hatte, schob ihr schon einen Stuhl hin und nickte durchaus höflich. Also stand sie auf, strich sich das Kleid glatt, so gut sie es vermochte, und setzte sich. In diesem Zustand würdevoll auszusehen war fast unmöglich und insbesondere der hübschen Amandis gegenüber war es ihr sehr peinlich. Doch sie tat ihr Bestes, richtete sich gerade auf, die Hände auf den Knien und warf Anbar einen Blick zu, von dem sie hoffte, dass er bedrohlich wirkte.
    „ Sie sieht aber genauso aus wie Ulissa!“, rief Amandis begeistert. „Genauso wie damals, als ich sie das letzte Mal gesehen habe. Sie sind gleich alt!“
    Anbar ging nicht auf Amandis ein. Er erwiderte Elsas Blick und sie fühlte sich wieder wie vor Jahren, als sie neben Romer und Anbar Suppe essen musste und ihr die eisig grauen Augen nahegelegt hatten, besser zu tun, was man ihr sagte.
    „ Was willst du hier?“, fragte er nun.
    Sie schwieg. Erstens, weil sie nicht antworten musste, und zweitens, weil ihr nichts einfiel.
    „ Die Möwen haben gesehen, wie dich die Rabendiener wieder eingefangen haben“, sagte er. „Offensichtlich haben sie dich hierhergeschickt und ich will wissen, warum.“
    „ Ich bin freiwillig hier“, sagte Elsa. „Sie haben mich laufen lassen. Ich habe ein Tor benutzt und bin hier gelandet. Ich kann mir nämlich nicht aussuchen, wo ich hinkomme. Das habe ich nie gelernt.“
    „ Das glaube ich gerne, dass du das nicht kannst. Aber die Geschichte, dass sie dich haben laufen lassen, ist lächerlich. Erzähl mir etwas, das ich ernst nehmen kann!“
    Seinem Blick auszuweichen wäre einem Schuldgeständnis gleich gekommen. Außerdem wollte Elsa nicht nachgeben. Also schaute sie zurück, hinein in die strengen, grauen Augen, die sie durchlöcherten. Gleichzeitig wunderte sie sich, warum es ihm nichts ausmachte, sie so direkt anzusehen. Die meisten Menschen – sogar sie selbst – konnten es nicht ertragen, lange in ihre Augen zu sehen, denn da war einfach nichts, woran man sich hätte festhalten können. Nur Elsas Eltern hatten in ihre Augen geblickt und etwas gesehen. Sogar etwas, das sie mochten. Der Gedanke daran machte Elsa weich und sehnsüchtig, aber das passte jetzt nicht hierher. Sie verbannte Puja und Wenslaf aus ihren Gedanken, hielt dem Blick stand – und schwieg.
    „ Zwar bist du den Rabendienern davongelaufen“, fuhr er nun fort, „aber sie haben dich immer noch in ihrer Gewalt. Was bedeutet, dass dich die Möwen gerne in einen Käfig sperren würden und die Ausgleicher nicht lange zusehen werden, wie du hier herumspazierst. Sie werden sich zu dem Beschluss durchringen, dich dem Verfahren zu überantworten, und dann werden sie handeln.“
    „ Was heißt hier Ausgleicher?“, fragte Elsa. „Du redest doch von dir!“
    „ Ich rede von einem politischen Beschluss, der in Antolia vom Rat der Hochwelten gefällt wird. Das Handeln werden sie diesmal nicht mir überlassen, weil ich schon mal versagt habe. Aber natürlich werde ich den Beschluss der antolianischen Regierung in jeglicher Hinsicht unterstützen.“
    „ Hör auf, Anbar!“, rief nun Amandis. „Sie hat niemandem etwas getan, also rede nicht so mit ihr!“
    Der Antolianer, der hinter Elsa in der Ecke stand, schnappte hörbar nach Luft.
    „ Niemandem etwas getan?“, wiederholte er. „Das dürften die meisten Menschen anders sehen. Dieser Politiker, dem sie den Schädel gespalten hat – war das nicht sogar dein Onkel, Amandis?“
    „ Um Edon ist es nicht so schade“, sagte die liebliche Amandis entschieden.
    Elsa hörte, wie der Antolianer hinter ihr vor Unverständnis leise schnaubte.
    „ Das spielt jetzt keine Rolle“, sagte Anbar. „Was ich sagen will, ist das: Sobald ich Antolia melde, dass du hier bist, werden sie viele Ausgleicher schicken. Das gilt genauso für die Möwen, die wegen der Hochzeit sowieso in Massen hier aufkreuzen. Ich weiß nicht, wie viele Tage sich beide Seiten Zeit lassen, um zuzuschlagen. Viele werden es nicht sein. Ich rate dir also, von hier zu verschwinden, ganz gleich, was dir die Rabendiener aufgetragen oder versprochen haben.“
    Elsa zog es vor zu schweigen.

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