Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
Vom Netzwerk:
fast tot gewesen …“
    „ Ich bin aber nicht tot, also behandle mich nicht wie einen Kranken.“
    „ Schon gut.“
    „ Wenn es stimmt, dass sie den Vogel aufgeweckt haben, dann steht uns eine Katastrophe bevor.“
    Der besorgte Antolianer stieg auf sein Pferd, der andere hob beschwichtigend die Hände.
    „ Selbst wenn sie den Raben aus dem Käfig ins Leben zurückgeholt haben, ist er sicher noch krank und schwach. Im Moment passiert nichts!“
    Der Antolianer auf dem Pferd schüttelte den Kopf.
    „ Ich hab kein gutes Gefühl. Versprich mir, dass du Bescheid gibst, sobald sich etwas Verdächtiges tut!“
    „ Aber du hast doch Urlaub!“
    „ Du versprichst es mir!“
    Der andere Antolianer nickte. Sie verabschiedeten sich und der Antolianer zu Pferd ritt zum Hoftor hinaus. Der andere sah ihm eine Weile hinterher. So richtig sorglos sah er nicht aus. Dann drehte er sich um und ging über den Hof hinüber in den ältesten Teil des Schlosses. Obwohl es die Katze nach einem weiteren Küchenbesuch gelüstete, setzte sich Elsa erfolgreich durch und lenkte das Tier in die gleiche Richtung, die der Antolianer eingeschlagen hatte. Vielleicht ahnte die Katze, dass es Wichtigeres im Leben gab als halbe stinkende Fische. Jedenfalls folgte sie dem Antolianer auf Samtpfoten über alten Flure, eine verwinkelte Treppe hinauf, einen weiteren Gang entlang und dann hinein in eine helle, gemütliche Schreibstube.
    Vom Boden aus sah Elsa ein Mädchen auf der Fensterbank sitzen. Sie war bestimmt das hübscheste Mädchen, das Elsa jemals gesehen hatte. Sie sah gar nicht aus wie jene Amandis, die Elsa eine Zeitlang aus dem Spiegel angestarrt hatte. Dies war ein anderes, ein netteres Mädchen mit rosigen Wangen und einem liebreizenden Lächeln. Sie saß dort auf ihrer Fensterbank, halb an die Scheibe gelehnt und die langen, goldrot gelockten Haare fielen ihr in den Schoß. Der freundliche Blick aus ihren blaugrünen Augen musste jeden Menschen verzaubern, auch den, der da am Schreibtisch saß. Elsa sah nur seine Stiefel. Gerade kam ihr zu Bewusstsein, dass sie vorsichtiger sein musste, wenn sich so viele Menschen in einem Raum befanden. Aber da war es schon zu spät. Der Antolianer, dem sie hierher gefolgt war, schloss die Tür und packte sie mit seinen beiden großen Händen, ohne dass sie sich nennenswert hätte wehren können. Zwar fauchte und kratzte die Katze nach Leibeskräften, doch alle Angriffe gingen ins Leere.
    Es kam aber noch schlimmer. Kaum wurde die Katze über die Höhe des Schreibtischs gehoben, sah Elsa, mit wem sie es hier zu tun hatte. Jemand, den sie für tot gehalten hatte, lehnte sich zu ihr vor und schaute ihr sehr aufmerksam in die Katzenaugen.
    „ Sie hat uns belauscht und ist mir gefolgt“, erstattete der Antolianer Bericht. „Sie kam mir von Anfang an nicht ganz geheuer vor. Was meinst du?“
    „ Wenn sie sich in Tiere verwandeln, erkennt man sie recht gut“, antwortete Anbar, ohne den Blick von ihr abzuwenden.
    „ Was erkennt man gut?“, fragte Amandis.
    Sie hatte sich auf ihrer Fensterbank aufgerichtet und sah besorgt aus.
    „ Raben“, antwortete der Antolianer.
    „ Raben?“, rief Amandis und hielt sich überrascht die Hände vor den Mund.
    „ Man erkennt sie nicht nur gut, man kann sie auch leicht dazu zwingen, sich in Menschen zu verwandeln“, erklärte Anbar.
    „ Soll ich?“, fragte der Antolianer.
    Statt zu nicken wandte sich Anbar an seine Cousine und sagte:
    „ Mach dir keine Sorgen – sie überlebt es.“
    Und schon ging es Elsa an den Kragen. Der Antolianer hielt ihr Mund und Nase zu, womit er die Katze – und nicht nur die – in Todesangst versetzte. Die Katze, die keine Luft mehr bekam, strampelte und tobte nach Leibeskräften. Als der Katze fast die Sinne schwanden, konnte Elsa ihre Gestalt nicht länger aufrecht erhalten. Eine Veränderung, die sie unbedingt hatte vermeiden wollen, erschütterte sie wie ein monumentaler Schluckauf: Sie wurde wieder ein Mensch, und zwar der, für den sie sich selbst hielt. Und statt wenigstens standesgemäß in einem kriegerischen, schwarzen Kleid vor ihren Feinden zu erscheinen, fiel sie in dem jämmerlichen Zustand zu Boden, in dem sie heute morgen aufgewacht war: schmutzig, mit zerzausten, strähnigen Haaren und im längst nicht mehr weißen Ganduup-Sommerkleid, das in dieser Umgebung wie ein Nachthemd aussehen musste. Der Antolianer, der sie losgelassen hatte, machte einen Schritt rückwärts. Immerhin hatte er jetzt mehr Respekt vor

Weitere Kostenlose Bücher