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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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zurecht?“, fragte Amandis. „Kann ich dich hier alleine lassen?“
    „ Natürlich“, antwortete Elsa. „Du hast mir sehr geholfen. Danke!“
    „ Das habe ich gern getan. Du erinnerst mich so sehr an Ulissa – auch wenn ihr sehr unterschiedlich seid. Nimm dich in Acht!“
    Als Amandis fort war, ging Elsa zu dem Bibliothekar, einem dürren Mann mit kurzen grauen Haaren. Er hatte etwas von einem menschlichen Weberknecht, der in der Bibliothek hauste und tagelang in Lektüre verharrte, sodass der Staub sich um ihn sammelte und man ihn kaum bemerkte, wenn man den Raum betrat. Bewegte er sich jedoch hervor aus seinem Leseversteck, wirkte er wie ein Teil der Bibliothek, ein lebendig gewordener, stiller und wissender Teil. All das ging Elsa durch den Kopf und sie mochte es. Es kam ihr daher normal vor, dass dieser Mensch sich nicht vor ihr fürchtete. Warum sollte er auch? Schließlich steckte sie keine Bücher in Brand und gegen Weberknechte hatte sie auch nichts. Sie ging davon aus, dass dieser Mann während Gaiupers Belagerung so gut wie verschwunden gewesen war und Gaiuper keine Gelegenheit gehabt hatte, ihn auszufragen. Dafür sprach allein, dass der Bibliothekar noch am Leben war. Trotzdem war Gaiuper bestimmt hier gewesen, um nach dem Buch zu suchen.
    „ Kennen Sie alle Bücher, die es in diesem Schloss gibt?“, fragte Elsa.
    „ Das wäre wohl zu viel versprochen, zumal sich die jungen Damen neuerdings schlecht geschriebene Romane bestellen und das in großer Zahl. Aber die wichtigen Bücher, die kenne ich bestimmt.“
    „ Dann haben Sie bestimmt schon von ‚Bolhins Reisen’ gehört?“
    Der Bibliothekar hob seine dünnen, grauen Augenbrauen.
    „ Ein gedrucktes Buch, das so alt ist, dass es nicht aus diesem Land, wahrscheinlich nicht einmal aus dieser Welt stammen kann?“
    Elsa erinnerte sich daran, dass man in Sommerhalt im Allgemeinen nicht an die Existenz mehrerer Welten glaubte. Man hielt es für möglich, dass Leute hexten und zauberten, so wie es der böse Rabe tat, den sie darstellte. Auf die Idee, dass diese Welt nicht die einzige war, kam man aber nicht. Elsa schielte in den Zwischenraum: Der Mann war keine Möwe, denn da flatterten keine Zwischenraumfäden. Ob er ein Antolianer war?
    „ Ich bin nicht verrückt“, sagte er und lachte ein bisschen dabei, „es ist nur so, dass das Buch, so wie es ist, nicht sein kann. Da es aber existiert, muss es eine Erklärung dafür geben, und mir fällt nun mal keine andere ein.“
    Elsa nickte.
    „ Mir auch nicht“, sagte sie. „Wissen Sie, wo das Buch jetzt ist?“
    Ihr Herz klopfte. So viel hing von seiner Antwort ab!
    „ Ich habe es vor vielen Jahren dem König gegeben, als er sich eine Lektüre zum Vorlesen wünschte. Für ein kleines Mädchen.“
    „ Agnes?“
    „ Mag sein, dass sie so hieß. Ich glaube allerdings, dass sie anders hieß. Denn sie nannte mir einen Namen, der schwer zu merken war. Er klang so ähnlich wie Agnes, daher nannte der König sie so. Natürlich war er damals noch nicht König, er war Prinz Nada und sein Bruder Gerard regierte als König.“
    „ Aber ist das Buch nicht etwas zu … umständlich geschrieben für ein kleines Kind?“
    „ Ich muss gestehen, ich habe es nie gelesen. Das hatte ich noch vor, ich war damals erst ein paar Jahre im Amt und hatte es noch nicht geschafft, alle Bücher zu studieren. Alles, was ich wusste, war, dass es sich um einen Reiseroman handelt, in dem der Erzähler Abenteuer erlebt. Genau so ein Buch wünschte sich das kleine Mädchen. Sie wollte von fernen Ländern hören und so gab ich dem König das Buch und er meinte, er wolle es damit versuchen.“
    Elsa fühlte sich auf einmal schwach. Ihr war schwindelig.
    „ Sie haben nichts dagegen, wenn ich mich setze?“, fragte sie und zog sich einen der schiefen Stühle herbei.
    „ Aber bitte, gern, ich stehe nur, weil es beschwerlich ist, den ganzen Tag zu sitzen.“
    Elsa fühlte sich wohler, als sie saß. Die Nachmittagssonne kam gerade hinter einem langen Streifen von Wolken hervor, die sogleich orange aufleuchteten. Sie fürchtete sich. Sie fürchtete, sie könne wissen, was damals mit Agnes passiert war. Ob es an dem Traum lag, den sie in der Nacht gehabt hatte?
    „ Dann wurde sie krank?“, fragte Elsa. „Das Mädchen?“
    „ Es war tragisch“, sagte der Mann. Wie ein dürrer grauer Baum stand er da, umgeben von buntem Licht, das soeben durch die Fensterfront fiel, die ihnen am nächsten war. „Sie fiel beim Spielen vom

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