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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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verglichen, die andernorts im Umlauf waren. Immer wieder sagten die Leute, ein Streit sei die Ursache für die Zerstörung des Landes gewesen. Ein Streit, keine Naturkatastrophe. Damals, vor langer, langer Zeit hatten die Menschen über weit größere Kräfte verfügt als heute. Einige von ihnen waren nicht verantwortungsvoll damit umgegangen. Sie hatten Himmel und Erde missbraucht und im Streit darüber, was gut und was schlecht war, wurden Himmel und Erde gespalten und vergiftet. Ja, Zauberkräfte und Krieg hatten das Land und seine Bewohner getötet. Das behaupteten die Leute, die Nada befragte. Die Menschen, die das überlebten, wurden schwach. Ihre wahren Fähigkeiten verloren sie und das Land blieb lange Zeit vergiftet. Dann sammelte sich das Gift dort, wo heute Feuersand ist. Das ungesunde Land zog sich zusammen. In der Mitte wurde es todbringend, am Rand blühten die Wiesen wieder und die Erde machte die schwachen Nachkommen wieder satt. Heute barg das vergiftete Land in seiner Mitte Risse und Schlünde. Dorthin zu gelangen war nicht mal fliegend möglich, wegen der giftigen Dämpfe. Doch selbst, wenn es einer schaffen würde, so würde er dort zermalmt von den Naturgewalten. Eine Existenz in der Mitte Feuersands war nicht möglich.
    Elsa versuchte sich diesen Ort vorzustellen. Sie fragte sich, wie man in Istland mit so einem Gebiet verfahren würde. Die Wissenschaftler und das Militär würden wahrscheinlich mit Ganzkörperschutzanzügen hineinwandern, Fotos machen und Bodenproben nehmen. Sicher kämen sie zu dem Schluss, dass ein Komet eingeschlagen hatte vor hunderttausend Jahren oder so etwas.
    Elsa hatte es versäumt, sich eine Kerze oder Lampe mitzubringen. Das machte aber auch nichts, da ihr vom Lesen und der Müdigkeit sowieso die Augen brannten. Für den morgigen Tag war es notwendig, dass sie sich ausruhte. Aber als sie dann auf dem Bett lag, fing ihr Herz wild zu klopfen an. Sie fürchtete sich vor nächtlichen Angriffen durch Möwen, Ausgleicher oder andere Feinde. Sie fürchtete sich aber auch vor Agnes, als könnte dieses Mädchen spuken, obwohl doch Elsa selbst so etwas wie ihr Geist war. Sie sah die Sterne blinken, draußen im Nachthimmel. Das war etwas, woran sie sich festhalten konnte. Sie beobachtete die Sterne, die hellen, erhabenen Punkte in der blauen, nächtlichen Ewigkeit und darüber schlief sie dann doch, ohne es zu merken, ein.
    Als sie am frühen Morgen erwachte, hatte sie schon wieder von Agnes geträumt. Von Agnes auf ihrem Sterbebett. Ulissa saß im Traum bei ihr, blass und verstört. Neben Ulissa war dieser Mann, ein großer Mann, vor dem sie sich fürchtete. Sie konnte ihn nie erkennen, da sie es nicht wagte, ihn anzusehen. Sie wusste, es würde ihr übel ergehen, wenn sie es täte. Zwar hatte sie als Agnes längst den Mut verloren und das Sterben nahm ihr nicht viel. Doch die Gestalt drohte mit anderen Schrecken, mit Schlimmerem als dem Tod.
    Elsa war immer noch ganz starr, als sie die Augen öffnete, und erleichtert, dass niemand an ihrem Bett saß. Vor wem bloß hatte sich Agnes so schrecklich gefürchtet? Nada war es doch sicher nicht gewesen, der gute Mann. Elsa richtete sich auf und sah, dass der Morgen, der gerade dämmerte, ein schöner war – mit hellblauen und rosa Streifen am Horizont. Die Vögel sangen so laut, dass sich Elsa wunderte, warum überhaupt noch jemand schlief. Doch abgesehen von den Wachen, die weit unten über den Kies marschierten, und ein paar Knechten, die im Hof etwas ausluden, schien alles noch zu schlafen.
    Sie verließ ihr Turmzimmer und machte sich in einem der Nebengebäude auf die Suche nach einer Waschgelegenheit. Ein Mädchen, das der Dienerin Tinka von damals zum Verwechseln ähnlich sah, staunte nicht schlecht, als Elsa darum bat, ihre Waschschüssel und den kleinen verbeulten Spiegel, der darüber an der Wand hing, benutzen zu dürfen. Natürlich war es nicht Tinka. Die Dienerin, die Elsa damals das Essen gebracht hatte, als sie im Turm eingesperrt gewesen war, musste mittlerweile auch vier Jahre älter geworden sein. Daran dachte Elsa, als sie sich vor dem verbeulten Spiegel ihre Haare richtete und ihr Gesicht wusch.
    „ Stimmt es, dass du zaubern kannst?“, fragte das Mädchen, das aus sicherer Entfernung beobachtete, was Elsa mit ihrem Spiegel anstellte.
    „ Schön wär’s“, antwortete Elsa, der das Flechten ihrer Haare schwer fiel. Sie war in solchen Dingen nicht geschickt. „Es ist eher so, dass mir komische Dinge

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