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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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„Rotschopf“ oder „Hokuspoka“, was er besonders lustig fand.
    Tag für Tag trug Elsa ihr königliches Kleid und schritt über die Märkte. Die Leute wurden aufmerksam, folgten ihr mit Blicken, vielleicht sogar zu Fuß und fanden früher oder später den Schlüssel für das Wunder in Diewans Angebot. Gerne beriet er die Kundinnen, wie sie mit nur geringen Stoffmengen einen ähnlichen Eindruck erwecken könnten. Auf jedem Marktplatz scharten sich Verehrer um Elsa. Das war ein neues Gefühl für sie und sie genoss es gar nicht. Sie war schließlich nicht das goldblonde, fast erwachsene Mädchen, für das sie gehalten wurde. Sie war Elsa, dreizehn Jahre alt, verschleppt, verkleidet und verändert. Sie vermisste ihr eigenes Spiegelbild ebenso wie Istland. Es gelang ihr, Abstand zu halten, sie ging nie auf Fragen oder gar Angebote ein, ein Verhalten, das Diewan täglich lobte und pries. Jeden Abend, wenn sie ein oder zwei Märkte besucht hatten, war Elsa sehr müde. Dann kroch sie in ihren Wagen auf die istrianischen Stoffe und schlief sofort ein.
    Der Spätsommer ging in einen milden Herbst über, doch eines Tages fielen alle Blätter von den Bäumen und es wurde schlagartig kalt. Zwar verfügte Diewan über reichlich warme Stoffe, doch war es kein Spaß, im Morgengrauen aufzustehen und den ganzen Tag im Freien zuzubringen. Elsas Nachtlager, der Berg aus Stoffen, wurde immer niedriger, je näher sie Brisa kamen. Eines Tages fielen Schneeflocken statt Regen vom Himmel, da sagte Diewan:
    „ Siehst du, das ist das Zeichen für jeden istrianischen Händler, nach Hause zurückzukehren. Die Zeit zu handeln ist um.“
    „ Aber du hast noch nicht alle Stoffe verkauft.“
    „ Ich habe gut verkauft. Mehr als in den letzten Jahren.“
    „ Das freut mich. Wann willst du umkehren?“
    „ Sobald ich dich am Stadttor von Brisa abgesetzt habe. Das wird morgen sein. Erzähl dort allen, die es hören wollen, dass Diewans Stoffe ihr Geld wert sind. Mehr hab ich nicht zu sagen.“
    Vor den Toren Brisas schenkte er ihr das prächtige Kleid.
    „ Ich kann’s ja nicht tragen“, sagte er und fuhr davon.
     
    Gegen all die Dörfer und kleinen Städte, durch die Elsa mit Diewan gereist war, wirkte Brisa riesengroß und elegant. Die Stadt klebte hauptsächlich an den Hängen einer Hügelkette. Auf halber Höhe, in der Mitte zweier Hügel, befand sich eine große ebene Fläche, eine Landschaftsterrasse, die das Zentrum Brisas bildete und Mittelstadt genannt wurde. Hier stand das Rathaus, das alle anderen Gebäude überragte. Und hier befand sich auch der Rathaus-See, ein großes, rundes, künstliches Gewässer, an dem jeder Besucher von Brisa früher oder später landete. Der See und das Rathaus waren immer gut besucht, von Reisenden aus allen Ländern. Es gab Imbissbuden und Bänke und viele Tauben und Möwen, die den Menschen die Leckerbissen aus den Fingern zu reißen versuchten. Hinter den Hügeln, das hatte Diewan erzählt, fiel das Land wieder ab und dann kam das Meer.
    An der Meeresluft und dem Wind mochte es liegen, dass es in Brisa nicht nach Erde oder Kuhmist roch, wie sonst überall in Sommerhalt, sondern nach Salz und Ferne und Blumen. An diesem Tag, als Elsa das Stadttor im Osten durchschritt und Treppe für Treppe erklomm, bis sie die Mittelstadt mit dem Rathaus-See erreichte, da war der Himmel blau und weiß von Wolken und Sonnenschein. Schnell zogen die Wolken über die Stadt hinweg und der Wind zupfte an Elsas Kleid und den rotblonden Locken, die nicht ihr gehörten. Zum ersten Mal, seit sie Istland verlassen hatte, fühlte sie sich fast frei. Denn diese Stadt war schön und die Menschen freundlich.
    In Brisa hatten sie eine Vorliebe für Wasser. Überall gab es Brunnen, Kanäle und kleine Wasserfälle. Außerdem kauften die Menschen gerne ein. Duftwasser, Tabak und kunstvoll verpackte Süßigkeiten liefen besonders gut, jedes zweite Geschäft am Rathaus-See verkaufte diese Sachen. Elsa wollte aber das wenige Geld, das sie besaß, nicht ausgeben. Sie gönnte sich nur ein geröstetes Brota an einem Stand und einen Becher Nokkakau. Das war ein dunkles, dampfendes Getränk, das hier jeder kaufte. Es schmeckte stark nach Schokolade und Kaffee. Elsa saß auf der Mauer, die den Rathaus-See umschloss und genoss die Wintersonne, den heißen Nokkakau in beiden Händen haltend. Da hörte sie, wie zwei Besucher der Stadt über Morawena sprachen. Sie unterhielten sich darüber, dass Morawenas Familie, die Relings, viel Geld für

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