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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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sie eigentlich schon belogen? Nada sei nicht da, hatte er das letzte Mal behauptet. Eine kleine kriegerische Auseinandersetzung später stand der König im gleichen Raum wie sie. Elsa ließ die Hände sinken und legte den Kopf auf ihre Arme. All das machte sie unsagbar müde. Aber sie durfte nicht schlafen. Dennoch schloss sie die Augen und hörte Ulissas Stimme in ihrem Kopf:
    „ Sei nicht so gutgläubig!“, befahl sie.
    Und dann tauchte Ulissas Gesicht vor ihr auf, das Kindergesicht einer Achtjährigen. Ihre Augen blitzten und strahlten. Die Gefahren, die sie Angais schilderte, belebten und begeisterten sie.
    „ Du musst nicht so ängstlich gucken, ich bin ja bei dir und beschütze dich! Aber vor Anbar solltest du dich in Acht nehmen. Er ist ein Ausgleicher und Ausgleicher halten nichts von solchen wie dir.“
    Sie liefen zusammen über eine Wiese. Angais sah Gras und Blumen. Es duftete. Ulissa war wie immer schneller und ungeduldig. Trotzdem wartete sie, bis Angais sie wieder eingeholt hatte.
    „ Wenn er nur ein Ausgleicher wäre, aber er steckt auch noch mit den Möwen zusammen. Mit meiner großen Schwester Sistra. Offiziell horchen sie sich gegenseitig aus. Aber in Wahrheit machen sie gemeinsame Sache. Ist doch klar! Jeder kennt die Geheimnisse der anderen Seite und das macht beide besonders stark. Für dich sind genau diese beiden sehr gefährlich. Merk dir das!“
    Angais rang nach Atem und blieb neben Ulissa stehen.
    „ Wenn du also nicht aufpasst“, sagte Ulissa, „und er herausfindet, dass du ein Rabe bist, dann verrät er dich an Sistra. Die wird dich in einen Käfig zu sperren! Für hundert Jahre oder noch länger.“
    Angais wollte es nicht glauben.
    „ Hundert Jahre?“
    „ Ich weiß nicht, wie lange die Vögel das aushalten. Jedenfalls länger als normale Vögel. Deine Gefangenschaft endet erst mit deinem Tod!“
    Dann rannten sie wieder los, über die Wiese auf einen Wald zu. Bald kam es Angais vor, als komme sie trotz großer Anstrengungen nicht vom Fleck. Das Wetter wechselte, mal war es Herbst, mal Winter. Schließlich fiel sie hin und lag mit dem Gesicht im Schnee. Sie rappelte sich auf, wischte sich die kalten Schneeflocken vom Gesicht und versuchte die Augen zu öffnen. Als es ihr gelang, entdeckte sie, dass ihr jemand gegenübersaß und sie anblickte.

KAPITEL 16
     
    „ Du solltest wachsamer sein“, sagte Anbar.
    Elsa war noch ganz verwirrt von ihrem Traum. Wie lange sie wohl geschlafen hatte? Sie rieb sich die Augen mit den Ärmeln ihres Kleides und gab einen leisen Seufzer von sich.
    „ Es gehört sich nicht, einfach so hereinzukommen“, sagte sie.
    „ Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, hast du auch nicht angeklopft“, erwiderte er. „Außerdem haben wir beide noch nie mit gutem Benehmen geglänzt. Also was erwartest du?“
    Er war ungewohnt freundlich heute. Seine Stimme klang milde und die grauen Augen schauten nicht so eisig wie sonst. Eigentlich waren sie blaugrau. Da sie einander gegenüber saßen und das Licht dieses hellen und sonnigen Nachmittags zu den Fenstern hereinschien, konnte sie es deutlich erkennen. Sie versuchte einzuschätzen, wie alt er war. Aber es gelang ihr nicht. Sie fragte sich kurz, ob die Damen im Schloss auch seinetwegen schlechte Romane bestellten, hielt es aber für unwahrscheinlich. Schön genug war er ja mit seinem blonden Haarschopf und dem Heldengesicht, andererseits konnte sie sich lebhaft vorstellen, wie er solche Romane und alles, was damit zusammenhing, verachtete und den Damen rechts und links um die Ohren haute, sobald sie ihn damit behelligten. Elsa hätte es durchaus begrüßt, wenn er hässlicher gewesen wäre. Das hätte es einfacher gemacht. Er saß ihr gegenüber, schaute sie an, sagte kein Wort mehr und überließ es ihr, mit dem Betteln zu beginnen. Das fiel ihr sehr schwer, aber es half ja nichts.
    „ Ich brauche ‚Bolhins Reisen!’“, sagte sie.
    Er hatte wirklich einen guten Tag. Statt sie in den üblichen Schraubstockblick zu nehmen, nickte er verständnisvoll und meinte:
    „ Deswegen bist du hier?“
    „ Ja. Und wenn du es mir gibst, bin ich ganz schnell wieder weg!“
    Sie lächelte, wie sie hoffte, auf gewinnende Weise.
    „ Was hast du mit dem Buch vor?“
    „ Ich lese es. Ich habe es vor vier Jahren angefangen und frage mich seitdem, wie es ausgeht.“
    Er hob die Augenbrauen.
    „ Dann muss es ja unglaublich spannend sein!“
    „ Oh ja! Hast du es gelesen?“
    Lächelnd, doch weniger milde als vorher,

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