Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)
erklärte er:
„ Antolia ist keine Leihbücherei. Du musst dir etwas Besseres einfallen lassen, damit ich versucht bin, Staatsbesitz an den Feind auszuliefern.“
Das hörte Elsa nicht gern. Tatsächlich setzte kurz ihr Herz aus, als er das sagte. Sie richtete sich auf, faltete so fest ihre Hände, dass es wehtat, und starrte ihm geradewegs in die blaugrauen Augen.
„ Ich brauche es. Es ist lebenswichtig für mich! Sag mir, was ich dir erzählen muss, damit du es mir gibst, und ich erzähle es dir!“
„ Das klingt schon besser“, sagte er. „Was macht es denn so lebenswichtig?“
„ Gaiuper hat mir Folter und Tod angedroht, wenn ich es nicht bekomme. Er braucht mich nicht mehr, er hat Morawena, und ich weiß, er wird seine Wut an mir auslassen, wenn ich nicht liefere, was er haben will. Aber wenn ich ihm das Buch bringe, lässt er mich laufen.“
„ Er lässt dich laufen? Niemals.“
„ Doch, das wird er tun. Wenn du als Antolianer auch nur halb so gut wärst, wie du immer tust, dann lässt du nicht zu, dass mich Gaiupers Schläger in alle Einzelteile zerlegen!“
„ Das möchte ich wirklich nicht“, sagte er. „Aber ich glaube nicht daran, dass er dich laufen lässt. Warum sollte er? Er ist doch nicht blöd.“
„ In gewisser Weise mag er mich. Deswegen glaube ich, dass er sein Wort hält. Vor lauter Freude über das Buch.“
Anbar schaute sie nachdenklich an.
„ Also“, sagte er nach einer Weile, „das leuchtet mir nicht ein. Er lässt dich gehen, weil er dich mag?“
Elsa nickte. Sie meinte es so. Aber es war schwer zu erklären.
„ Er denkt, dass er mir überlegen ist. Wie eine Katze einer Maus. Deswegen wird er mich laufen lassen, in dem Glauben, dass er mich jederzeit wieder einfangen könnte, wenn er das wollte.“
„ Was vermutlich auch stimmt?“
„ Ja … na, ja … schon, aber ich lebe seit einiger Zeit von Gelegenheit zu Gelegenheit. Wenn er zwei Jahre lang ohne mich auskommt, wäre das schon schön. Vielleicht vergisst er mich sogar, dann hätte ich eine Chance. Außerdem hat er ja etwas vor. Angenommen, er zieht mit Morawena in den Krieg, dann trifft ihn vielleicht ein verirrter Pfeil oder so etwas und ich bin frei. Alles Mögliche könnte passieren, jedenfalls könnte viel Besseres passieren, als dass ich morgen früh mit leeren Händen dastehe! Natürlich kann ich versuchen, ihnen Lügen zu erzählen, aber dann quetschen sie alles aus mir heraus, was ich über das Buch weiß, und gehen der Sache selbst nach. Dann lässt mich Gaiuper vor die Hunde gehen und hat seine grausige Freude daran, denn er hat einen Knall und zwar einen mächtigen!“
Er hörte ihr aufmerksam zu, durchaus mitfühlend, aber nicht nachgiebig.
„ Das ist der Haken an der Sache“, sagte er. „Das Buch enthält wichtige Geheimnisse. Wenn er herausfindet, was es damit auf sich hat, befindet sich gefährliches Wissen in den Händen eines Mannes mit einem mächtigem Knall, wie du sagst.“
Elsa nickte. Das wusste sie leider auch.
„ Andererseits“, fuhr Anbar fort, „glaube ich, dass er einen willigen Raben braucht, um das gefährliche Wissen nutzen zu können. Hat er den?“
„ Hm … ich weiß nicht … nein, eigentlich hat er keinen. Mich jedenfalls nicht.“
„ Aber mit Morawena wird er in den Krieg ziehen? Hast du das nicht gerade erwähnt?“
Elsa wollte nichts Falsches sagen. Aber das war schwierig.
„ Zumindest hat er sie aufgeweckt. Sie ist wach und redet nur, wenn es ihr Spaß macht, also fast nie. Ich glaube, sie kann ihn nicht leiden.“
„ Natürlich kann sie ihn nicht leiden“, sagte er, „sie hat ja Geschmack. Aber wird ihre Abneigung sie daran hindern, mit ihm zusammenzuarbeiten? Ich will deine ehrliche Einschätzung hören!“
„ Muss das sein?“
Sie lehnte sich zurück und starrte vor sich auf den Tisch. Dieses Gespräch nahm einen unguten Verlauf. Sie erzählte alles, was sie wusste, und was bekam sie dafür? Nichts. Morawena hätte es anders gemacht. Sie wäre durchtriebener gewesen. Sie hätte das Buch bekommen, ohne ihr Wissen preiszugeben. Sie hätte Anbar sogar auf eine falsche Fährte gelockt und damit die Hochwelten zum Narren gehalten. Aber Elsa aus Istland fühlte sich gerade überfordert.
„ Du hältst es also für möglich, dass Morawena auf Gaiupers Seite kämpft?“, fragte er, ihr Schweigend deutend.
Elsa konnte es nicht leugnen. Sie erinnerte sich gut an ihr Gespräch mit Morawena. Diese Frau war so traurig gewesen. Traurig genug, um alles
Weitere Kostenlose Bücher