Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)
hier nicht nach geraden Grundsätzen zurechtmeißeln kann. Insofern muss man doch eine gewisse Hochachtung haben vor so Leuten wie Anbar oder Leimsel, den du ja auch kennst, wie er mir erzählte.“
„ Leimsel! Wie geht es ihm?“
„ Ein komischer Vogel ist das!“ Romer lachte. „Gehört einer politischen Minderheit an, die seltsame Ideen hat. Es geht ihm gut. Ja, das kann man wohl sagen.“
„ Gibt es in Antolia Flugzeuge und Autos?“
„ Was ist das - Flugzeuge? Technik aus deiner Welt? Sie haben dort Technik. Kabinen zum Beispiel, die sich von alleine bewegen, nach oben oder durch eine Stadt hindurch, vollkommen lautlos. Alles, was sie an Technik besitzen, beruht auf der größtmöglichen Einfachheit. Sagen sie. Verstanden habe ich es trotzdem nicht. Es gehört zum guten Stil, diese Technik so sparsam wie möglich einzusetzen. Man nennt es den Grundsatz der technischen Enthaltsamkeit. Eine Säule der antolianischen Kultur.“
„ Ah ja.“
„ Ich könnte dir viel erzählen. Alleine die Städte, wie die aussehen! Riesige Gebäude, über die ganze Wälder gewachsen sind, alles alt, ehrwürdig, schön und monumental! Über die gepflegten Wege und Straßen spazieren die gesunden, ansehnlichen Antolianer und Antolianerinnen, zufrieden und harmlos. Sie essen blaue Kartoffeln in Germeijne und machen Ausflüge nach Tantalje, um dort die Sonnenuntergänge zu bewundern, denn es gibt dort drei Stück am Tag und jeder hat eine andere Farbe. Die ganze Zeit glauben sie an das Gute und dass es ihnen gelungen ist, es zu verwirklichen.“
„ Was hast du in Antolia gemacht, außer dich wie ein Mistkäfer zu fühlen?“
„ Studiert und aufgeholt. Ich kann jetzt von einer Welt in die andere gehen. Allerdings nur, wenn ich in der anderen Welt schon mal gewesen bin und wenn das Tor nicht zu schwierig ist. Sie sind unterschiedlich schwierig, weißt du. Außerdem habe ich gelernt, was es mit der Gerechtigkeit der Hochwelten auf sich hat. Wie sie eingreifen in das Geschehen unaufgeklärter Welten. Wie sie den Lauf der Zeit in ihren historischen Archiven festhalten. Es war sehr interessant. Allerdings habe ich mich ab und zu davon gestohlen, um ein bisschen Spaß zu haben. Meine Güte, jeden Tag Frieden, Philosophie und gute Taten, das kann einen zermürben.“
„ Zu ihren guten Taten gehört es auch, mich auszulöschen, ja? Anbar hat gesagt, dass sie das beschließen werden, wenn er ihnen erzählt, dass ich hier bin.“
Romer zögerte, sie sah ihm an, dass er überlegte, wie viel Wahrheit er ihr zumuten konnte.
„ Sag schon!“
„ Also, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Aber die Mehrheit glaubt, dass du in der Tat für immer verschwinden musst, ebenso wie alle anderen, die es von deiner Sorte noch geben mag, um all die unschuldigen Leben zu schützen, die ihr sonst noch auf dem Gewissen haben werdet.“
„ Das hatte ich mir schon gedacht. Ich werde nicht lange hier sein, ich will nur das Buch. Wo ist es?“
Romer lehnte sich betont langsam zurück, atmete tief durch und bedachte sie mit einem mitleidigen Stirnrunzeln.
„ Es wird dir nicht gefallen.“
„ Trotzdem sagst du es mir!“
Er streckte die Beine aus, faltete die Hände und seufzte ein bisschen.
„ Ich habe es Anbar gezeigt. Das schien mir damals ratsam. Ich dachte, das Buch wäre nicht weiter wichtig, aber du hast darin gelesen … also …“
„ Anbar! Was hat er damit gemacht?“
„ Er hat es mit nach Antolia genommen. Dort wurden Abschriften gemacht. Er hielt es für bedeutsam.“
„ Ist das Buch selbst jetzt auch in Antolia?“
Er zuckte mit den Achseln.
„ Wenn es dort nicht in irgendeiner Bibliothek gelandet ist, dann befindet es sich noch in seinem Besitz. Er kann es jedenfalls beschaffen. Wenn du ihn also recht artig darum bittest …“
Elsa verzog das Gesicht. Es durfte nicht wahr sein!
„ Warum willst du es überhaupt haben?“
„ Ich will es fertiglesen, das ist alles.“
„ Dafür bist du aber gerade reichlich blass geworden.“
„ Ich bin immer blass.“
Für Romer war nun wieder der Zeitpunkt gekommen, sich auf die Seitenlehne zu stützen, Elsa näher zu kommen und gewinnend zu lächeln.
„ Von mir aus könntest du’s haben. Wenn du nichts Dummes damit anstellst! Anbar glaubt, dass es von einem Raben geschrieben wurde. Vor sehr langer Zeit.“
„ Ach ja? Was glaubt er noch?“
„ Dass es verschlüsselte Botschaften enthält. An andere Raben.“
„ Interessant.“
„ Ist dir das auch schon
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