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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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hatte: Hügel, Krähen, ein Haus und wieder Hügel, aber keine Menschen. Puja hatte auch ein Foto von Elsa aufgestellt. Es war kurz vor ihrem dreizehnten Geburtstag aufgenommen worden und zeigte ein blasses Mädchen mit langen Zöpfen. Es sah verloren aus.
    Die Fensterläden waren verschlossen und so wurde es sehr dunkel, als Elsa die Lampe ausknipste. Nur ein Schlitz von Licht fiel aus dem Flur unter ihrer Tür hindurch. Elsa zog ihre bunten Sachen aus und dabei fiel etwas zu Boden. Es kullerte ein Stück über den Teppich und blieb dann liegen – ein sanft leuchtender Stein, der ein hellgelbes Licht verbreitete. Elsa kniete sich neben ihn und nahm ihn in beide Hände. Sie hatte den Stein aus Suaz mitgebracht. Sie mochte ihn besonders gern, durfte ihn aber niemandem zeigen. War es nicht so? Ja, das klang verrückt.
    Sie wurde den Verdacht nicht los, dass es ihre Eltern rücksichtsvoll vermieden hatten, über das Internat zu sprechen, auf dem sie gewesen war. Vielleicht war es kein Internat für normale Kinder gewesen, sondern eher für solche, die merkwürdige Dinge taten. Bestimmt war es ihnen nicht leicht gefallen, Elsa fortzuschicken. Aber nun war alles wieder gut. Sie war hier und sie würde sich normal verhalten. Das hatte sie sich fest vorgenommen.
    Sie legte den Stein auf ihren Nachttisch zwischen lauter Behälter mit Knöpfen und Nadeln und Stoffresten. Dann räumte sie ihr Bett frei und legte sich hinein. Langsam verblasste das Licht des Steins und sie lag im Dunkeln. Sie hörte, wie ihre Eltern in der Küche das Geschirr wegräumten. Das war ein beruhigendes Geräusch. Sie atmete langsamer, sank in die Kissen. Der Geruch der Bettdecke war ihr immer noch vertraut. Dankbar kuschelte sie ihre Nase hinein und fiel in einen Schlaf ohne Träume.
     
    Tante Sani war hingerissen von ihrem Bräutigam, obwohl sie immer gepredigt hatte, man solle einen Mann heiraten, nach dem man nicht verrückt sei. Es genüge vollauf, ihn gern zu mögen, dann sei man hinterher auch nicht enttäuscht. Sani hatte sich mit dem Heiraten Zeit gelassen. In Sellerichkranz hatte man hinter vorgehaltener Hand schon befürchtet, sie werde es niemals tun. Aber dann kam ein Fremder nach Rosenrink, der Radios reparieren konnte und einen eigenen Fernseher besaß. Den heiratete sie an einem kalten Tag unter einem selten blauen Himmel.
    „ Wie war es in Suaz?“, wurde Elsa bei der anschließenden Feier im Rosenrinker Festsaal gefragt. „Hast du viel gelernt auf der Schule?“
    „ Viel gelernt und das meiste wieder vergessen“, antwortete sie.
    Elsa fielen die Namen vieler Schulkameraden nicht mehr ein oder sie erkannte sie kaum wieder. Doch es wurde nie peinlich. Am besten war, dass sie von niemandem gehasst oder misstrauisch beäugt wurde. Es fiel ihr leicht, diesen Zustand als normal zu betrachten. Puja erzählte überall herum, was sowieso schon alle wussten: dass Elsa wieder da war und was sie die ganze Zeit gemacht hatte. Dabei fiel des Öfteren der Name Kurt und die Gäste taten, was man von ihnen erwartete. Sie bedrängten Elsa, ein Geheimnis preiszugeben, das sie gar nicht hatte. Sie winkte ab und suchte Zuflucht bei ihrem Vater.
    „ Was hast du vor, Elsa?“, fragte Wenslaf. „Willst du im Laden einsteigen?“
    „ Oh, Papa. Dafür habt ihr mich doch nicht nach Suaz geschickt!“
    „ Ich wollte nie, dass du gehst. Wir haben nur ein Kind, habe ich gesagt. Warum müssen wir das auch noch wegjagen?“
    „ Ihr habt mich nicht weggejagt, ich war ja einverstanden damit. Diesmal gehe ich nicht so weit weg. Nach Kristjanstadt vielleicht. Etwas lernen.“
    „ Aber wer übernimmt den Laden? Jetzt, wo Sani so weit wegzieht?“
    „ Weit weg? Mit dem Bus sind es zwanzig Minuten nach Rosenrink.“
    „ Ja, aber sie wird nicht jeden Tag in den Bus steigen und zwanzig Minuten fahren, um mir im Laden zu helfen. Na ja, ich schaffe es schon.“
    „ Wirst du Kurt schreiben?“, fragte Puja, die kam, um Wenslaf Bier nachzuschenken.
    „ Nein. Kurt ist erledigt.“
    „ In Sellerichkranz gibt es auch ein paar nette Jungen. Nicht wahr, Wenslaf?“
    „ Ach, was“, brummte Wenslaf. „Sie heiraten nur Kerle aus der Stadt, als ob das was Besseres wäre.“
    Am Tag nach der Hochzeit kaufte sich Elsa eine Zugfahrkarte und fuhr nach Kristjanstadt. Hier sollte ihr neues, altes Leben beginnen.
     
    Kristjanstadt war eine laute Stadt. Hier gab es Bauarbeiten, mehrspurige Autostraßen, Fußgängerzonen und Kaufhäuser. Abends ging man in die Milchbars oder

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