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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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zurückverwandelt hast, eigentlich gar nichts, nur dieser Stein ist vom Bett gekullert.“
    Das war Elsa sehr peinlich. Sie nahm den Stein, der gerade gar nicht leuchtete, weil es so hell im Zimmer war, und steckte ihn in ihren Rock.
    „ Komm bloß nicht auf die Idee, das hätte was mit dir zu tun!“, sagte sie.
    „ Nein, das würde ich mir nie anmaßen.“
    „ Ich war so lange im Dunkeln“, erklärte sie, „ich mag alles, was Licht macht!“
    „ Das verstehe ich gut“, sagte er. „Ich saß auch mal im Dunkeln und war verzweifelt. Steine wie dieser hier haben mich gerettet.“
    Das meinte er so, wie er es sagte. Sie sah es ihm an der Nasenspitze an.
    „ Wer hat dich denn ins Dunkel gesteckt?“, fragte sie neugierig.
    „ Ich selbst“, antwortete er. „Aus Dummheit. Dass ich es überlebt habe, ist ein Wunder. Seither habe ich immer so einen Stein bei mir, weil ich dann das Gefühl habe, dass mir nichts passieren kann.“
    Sie nickte. Sie hatte das gleiche Gefühl. Zwar stimmte es nicht, denn ihr war etwas Schlimmes zugestoßen, trotz Stein. Aber sie war gerettet worden. Ihre Rettung leuchtete gerade wie tausend Steine dieser Art und nie hatte die Sonne heller geschienen als jetzt.

KAPITEL 20
     
    Am Ende schlief Elsa doch noch ein. Als sie aber am nächsten Morgen aufwachte, fühlte sie sich wie zerschlagen. Vielleicht war es der Muskelkater vom gestrigen Marsch oder die Tatsache, dass sie bei offenem Fenster geschlafen hatte, ohne sich richtig zuzudecken. Sie ging hinaus auf den Flur, stellte fest, dass es noch sehr früh und das Bad leer war, und ließ sich daraufhin eine Wanne mit heißem Wasser ein. Im blauen Schaumbad „Meerwasserbrise“, das in Wenslafs Laden in den Regalen verstaubte, weil blauer Schaum bei den Kundinnen nicht so gut ankam, verbrachte Elsa eine sehr lange Zeit. Ungefähr so lange, bis jemand an die Tür klopfte und fragte, ob sie schon ertrunken sei.
    Sie trocknete sich schnell ab, wickelte sich in ein großes Handtuch und rannte tropfend über den Flur in ihr Zimmer zurück, in dem ihr Wecker laut und durchdringend klingelte. Sie haute auf den Knopf, der ihn verstummen ließ, und fiel zurück ins Bett. Nein, sie war kein Geschöpf, das sich in einen Vogel verwandeln konnte. Nur Verrückte glaubten so etwas. Es gab auch keine Helden, die in unbezwingbare Verliese eindrangen und Mädchen, die sich in Vögel verwandeln konnten, retteten. Zwar gab es einen Stein, der im Dunkeln leuchtete, aber es gab auch Springreifen, die im Dunkeln leuchteten, solche verkaufte Wenslaf in seinem Laden.
    Ein Blick auf den Wecker riss Elsa aus ihren Überlegungen. In zehn Minuten musste sie im Kaufhaus sein! Sie zog sich schnell an, stieß dabei mit dem Fuß gegen einen Stuhl und glaubte im ersten Moment, sie haben sich einen Zeh gebrochen. Humpelnd warf sie sich ihren Mantel über und verließ ihr Zimmer. Auf dem Weg durch die belebten Straßen von Kristjanstadt ins Einkaufsviertel kam wieder Leben in ihren Zeh und so schaffte sie es, nur zehn Minuten zu spät zu kommen.
    „ Das war es dann wohl mit dem Sommer“, sagte eine ältere Frau, die sich nicht zwischen einem blauen Regenmantel und einer Bratpfanne mit Antihaftbeschichtung entscheiden konnte. „Jetzt ist es richtig kalt geworden.“
    „ Ja, das ist schade“, sagte Elsa. „Aber vielleicht ist es nur vorübergehend.“
    Die Frau schüttelte den Kopf und gab Elsa die Pfanne zurück.
    „ Gibt es die irgendwann billiger?“
    „ Wenn sie nicht verkauft wird, schon.“
    „ Gut, dann komme ich in zwei Wochen noch mal vorbei.“
    Da nicht viel los war, beschloss Elsa, ihre Töpfe neu zu sortieren und ältere Modelle abzustauben. Irgendwas musste sie tun, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen. Trotz aller Bemühungen mogelte sich zwischen Eierkochtöpfe und Entsafter das Gesicht eines Bibliothekars, der sie an einen Weberknecht erinnerte, und in einer Kasserole stieß sie überraschend auf einen gespaltenen Schädel, in dem noch das Beil steckte. Elsa schleuderte eine Kelle, die sie zufällig in der Hand gehalten hatte, erschrocken von sich und torpedierte damit eine Pyramide aus Gewürzdosen, die sofort in alle Richtungen flogen, klirrend und scheppernd.
    „ Lässt du’s heute mal so richtig krachen?“, fragte Tore, der mit einer großen Kleiderkiste im Arm vorbeikam.
    Elsa sah ihn an, den Hemdenverkäufer aus dem dritten Stock, der an der Akademie Dichtung und Sprachvergangenheit studierte. In der Studenten-Kantine zog er stets die

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