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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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umgekehrt: dass es sogar der lästige Regen zu einer gewissen Bedeutung brachte, sobald er über ein Heldengesicht floss.
    „ Es war der einzige Weg“, sagte er, „und du hast es ja geschafft. Aber jetzt ist Amandis wieder da und du könntest nichts Dümmeres tun, als zu den Möwen zurückzugehen.“
    „ Vielleicht lügst du ja“, sagte Elsa.
    „ Amandis war sehr ungehalten darüber, dass jemand in ihren Tagebüchern herumgeschnüffelt hat!“
    Elsa wurde kurz heiß unter ihrer kalten, nassen Haut. Man las nicht die Tagebücher anderer Leute. Dies war sicher der falsche Moment, sich zu schämen, aber sie tat es trotzdem.
    „ Sie hat dennoch Verständnis für deine Lage. Sie wird Sistra nichts sagen.“
    „ Tatsächlich? Das ist aber nett von ihr.“
    „ Ja, sie ist nett. Zu nett wahrscheinlich.“
    „ Woher weißt du das alles?“, fragte Elsa. „Hast du mit ihr gesprochen?“
    „ Ich habe sie hierhergebracht.“
    „ Warum?“
    „ Weil sie bei mir war und alleine keine Welten wechseln kann.“
    „ Ist sie deine Freundin oder so etwas?“
    Das war nicht die Sorte Fragen, die man Anbar stellte. Elsa hätte es wissen müssen. Sie erntete einen ungeduldigen Blick.
    „ Ich bin ihr Cousin“, sagte er.
    „ Ach!“, rief Elsa und vor ihren Augen zog alles vorüber, was sie über den sagenhaften Cousin schon gehört hatte. „Bist du der Cousin, der Ulissa rausgeworfen hat, weil sie ihm einen giftigen Krebs auf den Teller gelegt hat?“
    Ein Stirnrunzeln. Elsa dachte schon, er werde nichts mehr dazu sagen, doch nachdem er für eine Weile in den Regen gestarrt hatte, antwortete er:
    „ Es war ein großer Fehler, das zu tun. Jetzt ist sie in Bulgokar und so gut wie tot.“
    „ Tot?“, fragte Elsa und merkte, wie sie unter ihrem nassen Mantel eine Gänsehaut bekam. Obwohl sie Ulissa gar nicht kannte und Ulissa weniger nett zu sein schien als Amandis, fühlte sie sich ihr verbunden. Wahrscheinlich, weil es hieß, dass sie einander so ähnlich sahen.
    „ Sie hatte den irrwitzigen Plan, sich einem Orden von Rabendienern anzuschließen“, erklärte Anbar. „Amandis war dabei. Doch die Rabendiener haben kein Interesse an aufmüpfigen Möwen. Sie haben Ulissa eingesperrt und Amandis nach Hause geschickt. Sie soll Sistra ausrichten, dass Ulissa am Leben bleibt, wenn Sistra den eingesperrten Raben gegen Ulissa eintauscht. Was sie natürlich nicht tun wird.“
    „ Wird sie nicht?“
    „ Niemals. Ein Rabe darf nicht zu den Rabendienern gelangen, sonst ist alles zu spät. Es gibt keine schlimmere Verbindung für den Rest der Welten. Aber wir haben jetzt keine Zeit. Gleich scheint die Sonne wieder und dann kommen die Leute aus ihren Häusern. Ich bringe dich an einen Ort, an dem du dich verstecken kannst.“
    Tatsächlich hatte es schon fast wieder zu regnen aufgehört und auf dem Rathaus-See glitzerten ein paar Sonnenstrahlen. Elsa folgte ihrem ehemaligen Wächter und betrat mit ihm die engen Gassen der Mittelstadt, in denen man sich leicht verlaufen konnte. Elsa wusste gar nicht, warum sie diesem Mann ihr Leben anvertraute. Wenn hinter der nächsten Hausecke ein Trupp von Ausgleichern hockte, um sich auf sie zu stürzen, dann wäre es aus und vorbei mit ihr. Aber es hockte niemand da und allmählich waren auch wieder mehr Leute auf den Gassen unterwegs. Die Häuser der Mittelstadt waren schmal und hoch, Wand an Wand gebaut, mit bunten Fensterscheiben. Auf dem Kopfsteinpflaster lagen noch Schneereste, denn in den schmalen, schattigen Gassen hielt sich noch die Kühle des Morgens, während hoch oben über den Dächern die Wolkendecke aufriss und blauer Himmel zum Vorschein kam.
    „ Stimmt es, dass ich Ulissa ähnlich sehe?“, fragte Elsa.
    „ Du siehst ganz genauso aus wie sie“, antwortete er, „nur ein paar Jahre jünger.“
    „ Wie kommt das? Ich habe sie noch nie gesehen.“
    „ Ja, es ist merkwürdig.“
    „ Ist sie so böse, wie alle sagen?“
    Was Anbar nun sagte, konnte Elsa nicht verstehen. Er grummelte es irgendwie zwischen den Zähnen hindurch und es klang wie einer der Flüche, die Papa Wenslaf auszustoßen pflegte, wenn ihm eine Palette mit Ananasdosen vom Stapel fiel. Es war aber nicht Elsas Frage, die Anbar so aufgebracht hatte, sondern das plötzliche Auftauchen zweier Personen in der Gasse vor ihnen.
    Es waren ein Mann und eine Frau, die gar nicht nach Sommerhalt passten. Die Frau trug einen braunen Lederhut und ein ebenso braunes Lederkostüm. Ihr Rock ging nur bis zum Knie, was überhaupt

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