Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)
keiner Mode Brisas entsprach. Ihre Haare waren ungewöhnlich gelb. Der Mann hatte besonders buschige, schwarze Augenbrauen und das Kinn eines Nussknackers. Wenn er den Mund aufmachte, kamen zwei riesige Zahnreihen zum Vorschein.
„ Wenn das mal nicht unsere Amandis ist!“, rief er und zwinkerte Elsa zu.
Er trug einen beige-braun karierten Anzug und Elsa dachte, dass sie solche Kleidung schon in älteren istländischen Filmen gesehen hatte. Die Frau strahlte, als sie Amandis erblickte und strich ihr, kaum dass sie bei ihr angekommen war, sofort mit den Lederhandschuhen über das immer noch nasse Haar.
„ Wie hübsch du geworden bist! Es stimmt also, was die Leute über dich sagen.“
Elsa war hilflos. Sie hatte keine Ahnung, wen sie vor sich hatte. Sie schüttelte den beiden die Hand und versuchte, zurückzulächeln.
Nun begrüßte auch Anbar das Paar und zwar so höflich, dass Elsa ihn kaum wiedererkannte. Zuvorkommend nannte er die beiden beim Namen – sie hießen Ega Miss und Edon Weiss – und schüttelte ihnen die Hand. Ob sie gerade erst aus Zenzo gekommen seien, fragte er. Oh ja, antwortete Ega, sie hätten noch gar keine Zeit gehabt, sich passend zu kleiden.
„ Wie laufen die Geschäfte?“, fragte Edon Weiss, wobei er sein Nussknacker-Kinn hin und her schob, als würde er etwas kauen.
„ Sie erholen sich“, antwortete Anbar.
„ Ach ja?“ Edon Weiss zog die buschigen Augenbrauen hoch. „Da hab ich was anderes gehört. Muss eine Menge Staub aufgewirbelt haben in Antolia. Sistra bangt um ihre Kontakte.“
„ Dennoch sind wir einer Meinung.“
„ Mag sein, aber Sistras Meinung ist auch nicht mehr das, was sie früher mal war.“
Ega Miss klopfte Edon auf die Schulter. „Jetzt lass mal, Edon. Hier ist nicht der Ort für solche Gespräche. Wir sehen dich beim Fest, Anbar?“
„ Nein, ich bedaure“, sagte Anbar.
„ Schade“, sagte Edon.
Ega ergriff Elsas Hand und lächelte sie an.
„ Jetzt haben wir beide endlich mal Zeit, miteinander zu plaudern. Ich weiß nicht, ob Sistra schon mit dir gesprochen hat, aber wir hatten die Idee, du könntest zu uns nach Zenzo kommen und eine Ausbildung am Flughafen machen.“
Elsa versuchte, nicht erstaunt auszusehen. Flughäfen gab es in Istland, das war eine moderne Sache, die sich die meisten Leute nicht leisten konnten. Mit einem Flugzeug konnte man von Kontinent zu Kontinent fliegen. Aber hier in Sommerhalt gab es mit Sicherheit keine Flugzeuge.
„ So wie ich meine Cousine kenne“, sagte Anbar nun, „wird sie das Angebot ausschlagen. Sie mag keine industriellen Welten. Die sind ihr zu unromantisch.“
Ega und Edon lachten, als sie das hörten.
„ Vielleicht müssen wir ihr die Vorzüge der Technik erst noch schmackhaft machen“, sagte Ega. „Ich möchte nie mehr ohne Kühlschrank oder Swimmingpool leben. Zenzos Mode würde ihr ausgezeichnet stehen!“
Elsa fand es manchmal sehr anstrengend, dass Amandis’ Schönheit tagein, tagaus gepriesen wurde. Wäre sie nun tatsächlich Amandis gewesen, vielleicht hätte sie all die Komplimente genießen können. Doch so, als Diebin eines Gesichts, fühlte sie sich innendrin sehr schäbig und unwohl, sobald die Rede darauf kam. Glücklicherweise waren Ega und Edon in Eile und verabschiedeten sich. Sie gingen in die Richtung, aus der Anbar und Elsa gekommen waren, und Anbar lief schneller als zuvor.
„ Wenn sie jetzt zu Sistra spazieren“, sagte er, „dann ist es heraus. Sie werden die echte Amandis sehen und begreifen, dass sie einer Doppelgängerin aufgesessen sind. Wir müssen uns beeilen, damit ich Amandis rechtzeitig Bescheid geben kann.“
„ In Zenzo gibt es Flugzeuge?“
„ Zenzo ist die Heimatwelt von Amandis’ Vater. Edon Weiss ist ihr Onkel.“
„ Dann bist du auch mit ihm verwandt?“
„ Nein, zum Glück nicht. Da vorne ist es ja endlich! Ich dachte, ich finde es nie.“
Elsa lief hinter Anbar her, mit dem sie jetzt nicht mehr Schritt halten konnte. Er betrat eines der schmalen Häuser und sprang eine Treppe empor. An der Wohnungstür klopfte er. Die Tür ging auf. Es war Romer, der öffnete.
„ Gib auf sie Acht!“, rief Anbar und zeigte auf Elsa. „Sie ist unser Rabe. Ich komme später wieder.“
Und schon lief er die Treppe wieder hinab, ohne sich noch einmal nach Elsa umzusehen. Romer hingegen stand wie verzaubert an der Tür.
„ Elsa?“, fragte er.
Elsa bemerkte wohl, dass es Amandis’ Aussehen war, das Romer so beeindruckte. Sie kannte diese Wirkung
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