Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
Vom Netzwerk:
deine Spur. Wenn du es üben willst, dann tu es weit weg von hier.“
    „ Du weißt nicht, wie es geht?“
    „ Die Möwen und die Menschen benutzen Tore, um die Welten zu wechseln. Raben brauchen keine Tore. Sie haben andere Möglichkeiten. Deswegen sind sie Raben. Sie lernen es, wie ein Kind laufen lernt. Irgendwann finden sie es heraus. Genauso ist es mit den Verwandlungen.“
    Elsa nickte. Eigentlich musste sie Nikodemia dankbar sein, aber er hatte so etwas Feindseliges an sich, das ihr nicht behagte.
    „ Dann gehe ich jetzt“, sagte sie.
    Er öffnete die Tür, die zur Gaststube führte. Die Stube war leer, Carlos war verschwunden. Elsa merkte, dass sie jetzt viel trauriger war als noch wenige Stunden zuvor. In dem finsteren Hinterzimmer hatte sie von einer Wahrheit gehört, die ihre Welt verdunkelte. Jetzt, da Nikodemia gesagt hatte, sie könne nicht nach Istland zurück, war das Heimweh noch stärker geworden. So kam es, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Damit es der feindselige Junge nicht sah, beeilte sie sich, den Umgekippten Eimer zu verlassen. Erst als sie an der Tür war, drehte sie sich um, einen Abschiedsgruß auf den Lippen, doch Nikodemia war fort. So ging sie nach draußen in den Schnee, der im Tauwetter matschig geworden war und jetzt große Pfützen bildete. Sie wollte das Matrosenviertel am liebsten nie wieder sehen. Als sie mit dem eingewickelten Buch unterm Arm zur Mittelstadt emporstieg, versuchte sie, all die Düsternis, die von ihr Besitz ergriffen hatte, dort unten zurückzulassen. Ein bisschen gelang es ihr.

KAPITEL 4
     
    Elsa hielt das eingewickelte Buch, das Nikodemia ihr gegeben hatte, den ganzen beschwerlichen Rückweg lang in ihrem linken Arm und drückte es gegen die Brust. Es war ihr gleichgültig, was für ein Buch das war. Das Fest, das am Abend des nächsten Tages stattfinden sollte, beunruhigte sie. Gleichzeitig dachte sie, dass es so einfach sein könnte, nach Hause zurückzukehren, wenn sie nur wüsste, wie man sich verwandelte und die Welt wechselte. Sie konnte es doch – warum konnte sie es dann nicht willentlich herbeiführen? Gedankenverloren ging sie am Rand des Rathaus-Sees entlang, ohne auf die Leute zu achten. Alles war nass, der Schnee geschmolzen, und das Wasser des sonst so schönen Sees dunkelgrau.
    „ Elsa?“, rief jemand hinter ihr und sie drehte sich um.
    Das war höchst unvorsichtig, schließlich kannte hier niemand ihren richtigen Namen. Wer auch immer sie gerufen hatte, wusste über ihre wahre Natur Bescheid. Sie schaute sich erschrocken um, kaum dass ihr der Fehler bewusst geworden war, und dann sah sie jemanden im Schatten der Bäume stehen. Er winkte ihr, doch Elsa blieb, wo sie war. Denn der Mann, der ihr winkte, war der unfreundliche Blondschopf namens Anbar.
    „ Komm gefälligst her, wenn dir dein Leben lieb ist“, rief er. „Geh vor allem nicht nach Hause, denn dort ist die echte Amandis eingetroffen.“
    Elsa starrte ihn an. An diesem trüben Wintertag wirkten seine graublauen Augen besonders kalt und streng. Sie überlegte, ob er ihr eine Falle stellte, andererseits sah es tatsächlich so aus, als wollte er sie warnen.
    „ Zu wem gehörst du?“, fragte sie. „Zu den Möwen oder den Rabendienern? Ausgleicher gibt es auch noch, das habe ich inzwischen gelernt.“
    Er trat aus dem Schatten der Bäume und kam einen Schritt auf sie zu.
    „ Schön, dass du deine Zeit nicht nur vertrödelt hast. Ich gehöre normalerweise zu den Ausgleichern, aber im Moment verfolge ich ein anderes Ziel.“
    „ Welches?“
    „ Ich rette deinen Kopf.“
    Er griff nach dem Ärmel ihres Mantels und zog sie hinter einen Stand, der normalerweise Nokkakau und Gewürzkuchen verkaufte. Jetzt war der Stand geschlossen.
    „ Warum willst du meinen Kopf retten, wenn du ein Ausgleicher bist?“, fragte Elsa.
    Sie war völlig verwirrt. Befand sie sich nun in Lebensgefahr oder nicht? Sie sah, wie es zu regnen anfing, es war ein kalter Regen, der aus kleinen Tropfen bestand.
    „ Ich kann meine Meinung jederzeit ändern, also frag nicht so viel.“
    „ Aber das letzte Mal habt ihr mich verkauft!“
    „ Sprich leise“, befahl er und sah sich nach allen Seiten um.
    Es waren nur wenige Leute unterwegs und die beeilten sich, weil sie nicht nass werden wollten. Elsa merkte, wie der Regen ihr Haar und ihr Gesicht hinablief und langsam ihren Mantel aufweichte. Sie sah auch die Tropfen auf Anbars Gesicht und dachte kurz, dass ihm der Regen gut stand – oder vielmehr

Weitere Kostenlose Bücher