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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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wissen wollte, ob diese Käfigstäbe auch brannten, streckte Elsa ihre Finger danach aus. Es war ganz merkwürdig, weil sie, ohne es vorgehabt zu haben, etwas Unsichtbares durchdrang. Auch dieser Käfig war nur teilweise hier. Der Rest stand im Zwischenraum, aber Elsa konnte ihn erreichen. Sie schnappte ihn sich, obwohl sie merkte, dass es da einen Widerstand gab. Ein Rascheln und Flattern streifte ihre Haut, als sie ihre Hand zurückzog ins Hier und Jetzt. Eine Bewegung nur und der Käfig war ganz der ihre, dem Zwischenraum entrissen und allen merkwürdigen Geistern, die dort geschlafen hatten, während der Dieb seine Finger nach der Beute ausgestreckt hatte. Der Dieb selbst war sehr überrascht. Elsa hatte wie im Traum gehandelt, ohne nachzudenken, sogar der Reif hatte kurz seine Wirkung verloren. Doch jetzt, da sie den Käfig an sich drückte und in ihren Armen spürte, fühlte sie sich für ihn verantwortlich. Fürsorgliche Gefühle verdrängten alles andere. Hier war ein Rabe, ein anderer Rabe, der noch wehrloser war als sie selbst. Ihr einziger Verbündeter vielleicht, in allen Welten. Umgeben von Feinden, gefangen in seiner Existenz. Sie konnte ihn nicht loslassen.
    „ Raus hier!“, schrie Gaiuper.
    Sogleich wurde Elsa von einem lebendigen Schutzschild aus Rabenkriegern umgeben, die sie aus der nächsten Tür hinausbeförderten. Obwohl in allen Räumen und Gängen, durch die Elsa geschleust wurde, ein heftiger Kampf tobte, erreichte sie kein Angriff. Furchtlose Kämpfer schubsten sie in ihrem Kreis hin- und her, wobei sie Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten und nicht zu stürzen. Schwerwiegendere Probleme hatte sie nicht. Außer dass sie sich gerne Augen und Ohren zugehalten hätte. Aber das war unmöglich. Sie umklammerte den Käfig und hoffte, der Alptraum werde irgendwann enden. Und das tat er, vorübergehend.
    Die Rabenkrieger gewannen die Oberhand. Es wurde ruhiger, verbissenes Schweigen herrschte in den eigenen Reihen. Die Männer und Frauen in den schwarzen Uniformen eilten hin und her, halfen Verletzten auf, zerstörten aus purem Zorn die Überreste der Einrichtung, empfingen Gaiupers Befehle, strömten aus, um mehr Räume des Hauses zu erobern. Jemand trug einen kleineren Körper auf den Armen eine Treppe hinauf.
    „ Hoppier!“, rief Elsa, kaum dass sie ihn erkannt hatte.
    „ Er ist in Sicherheit“, erklärte Gaiuper, ohne genau hinzusehen, und dann rief er schon seine Leute zusammen und wies sie an, eine gemeinsame Richtung einzuhalten. Jemand meldete, dass das ganze Haus umstellt war. Elsa, die den Impuls hatte, hinter Hoppier die Treppe hinaufzurennen, wurde am Arm festgehalten und daran gehindert. Sie kämpfte noch eine Weile dagegen an, dann wurde sie von ihrer Schutztruppe in eine andere Richtung gedrängt, in den hinteren Teil des Hauses, in dem sich die Wirtschaftsräume befanden. Gaiuper plante, sich von dort aus durch die Küchengärten zu kämpfen, die der Außenmauer des Geländes am nächsten waren. Doch gerade, als sie die Hauptküche erreichten, zersprangen die Fensterscheiben zur Gartenseite hin und Möwenkrieger stürzten ins Innere, um das Haus zurückzuerobern.
    Sie hatten diesmal eine andere Strategie als zuvor. Fast die Hälfte von ihnen stürzte sich auf Elsas Beschützer. Elsa duckte sich, um einem Speer zu entkommen, stolperte dabei und fiel auf den Boden. Der Schmerz, der ihr durch die Knie fuhr, hätte in Istland genügt, um ihr die Tränen in die Augen zu treiben. In diesem Moment waren Tränen ein überflüssiger Luxus. Elsa versuchte am Leben zu bleiben, das war alles, was sie gerade interessierte. Dass sie dabei den Käfig umklammerte, als sei er für ihr Überleben von größter Wichtigkeit, kam ihr kaum zu Bewusstsein. Sie hielt ihn einfach fest und kroch in einer Geschwindigkeit, die sie selbst erstaunte, durch etliche Beine hindurch und unter einen Tisch. Von dort ging es vorbei an einem Ständer mit großen, bauchigen Flaschen. Dabei schob sie den Käfig vor sich her. Ausgerechnet in diesem Augenblick kam ihr Robiss in die Quere, Sistras dicker, roter Kater. Er schaute sie ärgerlich an, als ob sie ihm nur so zum Spaß den Weg versperrte, und dann besaß er auch noch die Frechheit, die Krallen nach ihr auszufahren. Sie stieß ihn mitsamt dem Käfig von sich fort und dachte kurz, dass ihr dieser schlecht gelaunte Kater mehr am Herzen lag als all die sinnlos kämpfenden Menschen um sie herum. Dann fiel sie, mitsamt dem Kater und dem Käfig, eine Treppe

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