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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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hinab. Es war eine kleine Treppe, sie bestand nur aus fünf Stufen und führte in eine Art Wintergarten, in dem wegen der großen Fenster Gemüse gezogen wurde, so zum Beispiel Kürbisse und eine Gurkensorte, die normalerweise nur in Istrian angebaut werden konnte. Es schien schon sehr lange her zu sein, dass Elsa hier gesessen hatte und sich von der Gärtnerin hatte erklären lassen, wie man die Pflanzen festbindet, damit sie viele Früchte tragen.
    Jetzt befand sich Elsa keineswegs alleine in dem Wintergarten. Vielmehr war dieser hart umkämpft. Robiss sprang zwischen Stiefeln, Waffen, herabstürzenden Töpfen, Scherben und Menschen durch die kaputten Fenster hindurch in die vermeintliche Freiheit. Elsa folgte ihm, zumindest gelang es ihr, über den Sims des Fensters zu klettern und auf unsanfte Weise in die blühenden Büsche auf der anderen Seite zu fallen. In der einen Hand hielt sie immer noch den Käfig. Der Vogel darin rollte hin und her, bisweilen flatterte er panisch auf, um dann wieder bewegungslos an den Ort zu plumpsen, der gerade unten war, eine Kralle in die Luft gestreckt, als wäre er schon tot. Mit der anderen Hand zog Elsa unwillkürlich ihr Schwert, da mehrere Möwen auf sie zugestürzt kamen. Unglaublicherweise gelang es ihr für einige Zeit, abzuwehren, was auf sie einprasselte. Was aber daran liegen musste, dass die Gegner nicht die Absicht hatten, sie zu töten. Sie waren vorsichtig, fast sorgsam. Sie sollte in die Enge getrieben, vielleicht unschädlich gemacht werden. Sie sollte aber offensichtlich nicht sterben, wenn es sich vermeiden ließ, und dieser Umstand verhalf ihrer mittelmäßigen Kampfkunst zum Erfolg.
    In ihrem Rücken sprangen mehrere Rabendiener über zertrampelte Kürbisse und durch zerbrochene Fensterscheiben ins Freie. Sie warfen die Möwen ein Stück zurück, Elsa befand sich wieder in ihren eigenen Reihen. Doch sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte, in welche Richtung sie flüchten oder wie sie sich freikämpfen sollte. Wieder bahnten sich die Möwen einen Weg zu ihr hin und diesmal musste sie den Käfig fallen lassen, um mehrere Angriffe abzuwehren. Sie wich aus, sie machte einen Schritt hierhin, einen anderen dahin und so wurde sie mehr und mehr hineingezogen in das Hauen und Schlagen, das Abwehren und Niedermähen, das Messen der Kräfte, das so gar nichts mehr gemein hatte mit dem eleganten Spiel der Krieger, das Elsa in Bulgokar beobachtet und bewundert hatte. Alle Geschicklichkeit hatte nun etwas Verzweifeltes, die Schnelligkeit galt dem Überleben, nichts mehr war fein und leicht, sondern schicksalsschwer und schmutzig vom eigenen Blut und dem fremder Menschen.
    Es kam schließlich, wie es kommen musste: Elsa ging unter in diesem Kampf. Irgendwann war sie nicht mehr schnell genug und wurde getroffen. Was es war, das sie zu Boden gehen ließ, wusste sie nicht. Sie dachte nur: ‚Jetzt ist es vorbei!’ Damit meinte sie ihr Leben und alles, was sonst noch von Bedeutung hätte sein können, aber tatsächlich ging ihr Leben weiter, während sie das Bewusstsein verlor. Dass es so war, merkte sie, als ihre Augen wieder Bilder sahen, obwohl ihre Ohren nichts hörten außer Sausen und Rauschen. Aus ihrer Nase floss etwas Warmes, vermutlich Blut.
    Ihr wurde bewusst, dass sie ihre Beine nicht bewegte, auch ihre Arme nicht, und trotzdem veränderten sich die Bilder um sie herum andauernd. Es gelang ihr, den Kopf zu drehen, der offensichtlich festgehalten wurde, und da entdeckte sie Steine und Füße unter sich. Gerade dämmerte ihr, dass sie durch die Gegend getragen wurde, und zwar in einem waghalsigen Tempo, doch da wurde das Rauschen in ihren Ohren so laut, dass die Sehnerven kapitulierten. Alles war wieder schwarz und Elsa verschwand in einem Mittelding aus Traum und Bewusstlosigkeit. Es kam ihr vor, als springe ihr Geist hektisch zwischen diesen beiden Zuständen hin und her, aber in Wirklichkeit war sie wohl mehr weg als da. Denn als ihre Sinne und ihr Geist wieder halbwegs normal funktionierten, war es erstaunlich still. Ihr Gefühl sagte Elsa, dass viele Stunden vergangen waren. Die Dunkelheit, der feucht-modrige Geruch und das ferne Plätschern und Tropfen legten nahe, dass sie sich unter der Erde befand, in einem unterirdischen Kanal vielleicht.
     
    Sie war nicht alleine. Als sie nämlich, ohne es zu wollen, einen Seufzer oder ein Stöhnen von sich gab, ließ jemand ein entschiedenes „Pssssst!“ hören. Nach und nach erkannte Elsa Umrisse. Vielleicht

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