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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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umgab. Gerade bekam sie es mit der Angst zu tun, aber das durfte nicht sein. Nicht hier. Auch sonst durfte sie sich nicht davon beherrschen lassen. Sie war es gewohnt, bei jedem Anfall von Angst nach ihrem Stein zu greifen, daher richtete sie sich auf und sah sich um. Ihr Kleid lag nicht weit von ihr im Gras. Sie schob seinen Arm fort, kroch zu ihrem Kleid und holte den vertrauten Stein heraus. Er schimmerte nur schwach, da sie ihn eben erst mit der Hand berührt hatte.
    „Du musst ihn zurücknehmen“, sagte sie. „Morawena hat gesagt, er ist unendlich wertvoll und du könntest dir nicht einfach so einen Ersatzstein besorgen.“
    „Ich lerne gerade, ohne einen auszukommen. Du musst ihn behalten, sonst mache ich Rückschritte.“
    „Das sagst du nur. Aber wenn du willst, kannst du dir auch deinen ersten Stein zurückholen. Er liegt in meinem Zimmer in Kristjanstadt, ich sage dir die Adresse!“
    „Da liegt er gut. Ich werde es nicht wagen, Istland zu betreten.“
    „Dann musst du diesen nehmen!“
    Sie hielt ihm den Stein hin, aber er schob ihre Hand weg.
    „Es ist mir lieber, wenn du ihn hast. Gehen wir jetzt nach Hause?“
     
    Sie gingen nicht gleich nach Hause, sondern erst mal in die entgegengesetzte Richtung, ein Stück am See entlang. Denn er hielt es für notwendig, dass sie Wasser mitnahmen zur Ruine und dafür brauchten sie ein Behältnis und das gab es angeblich am Ende eines Stolperpfades, aus dem die Wurzeln ragten und der so dunkel war, dass selbst der Aeiol nicht bis auf den Boden leuchten konnte. Sie gingen dicht nebeneinander und langsam und wenn Elsa an einer Wurzel hängenblieb, dann krallte sie ihre Hand in seinen Ärmel, um das Gleichgewicht halten zu können. Sie hätte sich besser auf den Weg konzentrieren können, aber dazu hatte sie keine Lust.
    „Warum ist deine Mutter nicht Politikerin geworden?“, fragte Elsa.
    „Politik liegt ihr nicht. Torben hätte es gerne gehabt, aber sie hat sich gedrückt und stattdessen einen unwilligen Enkel geliefert.“
    „Wie viele Geschwister hast du noch mal?“
    „Zwei Brüder und sechs Schwestern.“
    „Hentiak sieht aus wie du.“
    „Er sieht vor allem aus wie mein Vater. Die beiden werden ständig verwechselt.“
    „Aber dein Vater ist doch älter.“
    „Das merkt man nur, wenn man mit ihm spricht oder ihm in die Augen schaut. Er ist in dem Alter, das die Antolianer am liebsten mögen. Man ist nicht mehr grün hinter den Ohren, aber sieht noch blendend aus. Männer und Frauen machen in dem Alter den meisten Eindruck aufeinander.“
    „Dann bist du noch gar nicht so weit?“
    „Nein, jeder Sechzigjährige müsste mich ausstechen.“
    „Leimsel zum Beispiel?“
    Ihnen waren plötzlich große Äste im Weg und als sie sie beiseite drückten, flatterten mehrere Vögel auf. Gleichzeitig gluckste es im Wasser. Sie blieben stehen, bis die Geräusche verklungen waren, denn es konnte ja sein, dass ein Flattern oder ein Glucksen nicht das war, was es sein sollte. Doch sehr schnell kehrte die Stille zurück und überall war wieder friedliche Sommernacht.
    „Leimsel ist ein Sonderfall“, sagte Anbar, als sie weitergingen. „Man erwartet von einem Sechzigjähren, dass er schon lange verheiratet ist und die ersten Enkel unterwegs sind. Leimsel hat aber nie Anstalten gemacht zu heiraten. Erst mit sechsundfünfzig kam er auf die Idee und ist ausgerechnet mit einer Achtzehnjährigen angetreten. Achtzehnjährige, das sind für uns Kinder. Sie sind zwar ausgewachsen, aber ihr Verstand ist noch nicht so weit.“
    „Ich bin neunzehn.“
    „Ich dachte neuntausend.“
    „Ja, beides.“
    „Es war ein riesiger Skandal. Madelenes Eltern haben sogar die Gerichte bemüht, um Leimsel die Heirat mit ihrer Tochter zu verbieten. Das hat aber nichts geholfen, er hat trotzdem geheiratet und im gleichen Monat die Hälfte seiner Partei-Mitglieder verloren. Die Leute fanden es unerhört.“
    „Aber es ist eine glückliche Ehe, hast du gesagt.“
    „Ja, das muss man ihm lassen. Er hat sich tatsächlich festgelegt. Wenn sich Romer so gut hält wie ein Antolianer, dann schafft er’s vielleicht auch noch.“
    „Was heißt, wenn? Er ist doch eigentlich Antolianer?“
    „Väterlicherseits, ja. Seine Mutter ist Sommerhalterin.“
    „Das wusste ich gar nicht. Er ist doch mit dir verwandt?“
    „Mit mir? Das wäre mir neu.“
    Wieder benutzte Elsa sein Hemd als Haltegriff, denn sie war in ein Loch getreten, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Sicher wäre es sinnvoll

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