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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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ihm zuvorkommen könnte. Welcher Schurke macht denn so was? Wenn er wirklich so scharf darauf wäre, als einziger den Weltuntergang zu überleben, dann hätte er gar nicht zu kommen brauchen. Er hätte nicht mit ihr zu reden brauchen. Er war aber gekommen und wollte sie unbedingt auf die Idee bringen, selbst durchs Tor zu gehen. Damit sie es auch wirklich in Erwägung zog, erpresste er sie: Wenn du es nicht tust, werde ich es tun. Gleichzeitig versicherte er ihr, dass sie keine Chance hatte, die Welten zu verschonen. Ergab das einen Sinn?
    Elsa wusste nur zu gut, dass der Rabe in ihr stärker war als der Mensch. Er hatte sie mehr als einmal aus aussichtslosen Situationen herausgerissen. Immer dann, wenn ihre menschlichen Möglichkeiten erschöpft waren und ihr der sichere Tod bevorstand, machte er sich bemerkbar. Selbst wenn Elsa willens wäre, sich aufzugeben, freiwillig zu ertrinken, wie Carlos es ausgedrückt hatte – der Rabe würde es niemals tun. Elsa konnte sich nicht daran erinnern, wann und wo und wie der Rabe geboren worden war. Aber sie wusste, dass seiner Existenz ein unbändiger Wille nach Ewigkeit innewohnte, dem sie nicht gewachsen war. Wenn er seine Flügel ausbreiten wollte und es konnte, was interessierten ihn da noch Elsas sentimentale Gefühle? Istländische Brause, Tildo-Jahn-Filme und Schinken-Käse-Toasts nach Mitternacht, das war es nicht, was den Raben antrieb. Er würde einfach losfliegen und Elsa mit allem, was zu ihr gehörte, hinter sich lassen. Für diesen Weg hatte sich Elsa vor mehr als neuntausend Jahren entschieden, als sie ein Rabe geworden war. Jetzt war das Ziel fast erreicht. Elsa konnte nicht gewinnen. Nicht gegen den Raben, der ihr schon so oft das Leben gerettet und sie durch ein ganzes Zeitalter getragen hatte.
    Aber sie hatte nie vergessen. Anders als alle anderen Raben gab sie ihre vergangenen Leben nicht auf. Menschliche Erinnerungen kamen zurück, immer wieder. Einmal, und nur ein einziges Mal, hatte sie zwei Altjas darüber sprechen hören. Sie war bei der Unterhaltung anwesend gewesen. Doch wusste sie nicht, wie alt sie zu der Zeit gewesen war, an welchem Ort das Gespräch stattgefunden hatte und was vorher vorgefallen war. Die Altjas machten sich nicht die Mühe, leise zu reden oder ihr das Gesagte auf andere Weise zu verheimlichen. Doch hatte sie keine Möglichkeit gehabt, sich einzumischen. Ob sie es nicht wagte oder ob man sie am Sprechen hinderte, all das entzog sich ihrer Erinnerung. Sie sah nur das Licht an der Decke, eine fleckige Lampe, die ein bräunlich-gelbes Licht verbreitete. Sie hörte jedes Wort, dass die Altjas zueinander sagten. Es hatte sie damals in Aufregung versetzt und heute war es nicht anders.
     
    „Sie hätte nie ein Rabe werden dürfen“, sagte der eine Altja. Er war ihr vertraut, denn er hatte sie jahrelang unterrichtet.  Er wurde von allen Onkel Patscho genannt. „Sie hat nie die Voraussetzungen erfüllt.“
    „Das ist nicht ihre Schuld, sondern unsere“, sagte der andere Altja, der ihr fremd war.
    „Ja, aber was machen wir jetzt mit ihr? Das kann doch nicht ewig so weitergehen?“
    „Vielleicht finden wir eines Tages einen Weg, wie man solche Fehlgriffe rückgängig machen kann. Für sie selbst wäre es auch am besten.“
    „Aber für diesmal fällt dir nichts ein?“
    „Nein. Wir müssen es so halten wie immer.“
    Onkel Patscho schwieg. Unzufrieden.
    „Wenn du dich nicht länger damit belasten willst, übernehme ich den Fall“, sagte der fremde Altja. „Wir sollten ihr nächstes Leben gut planen. Vielleicht ist es ja doch möglich, ihren Willen ganz auf die Ewigkeit zu richten und von der Vergangenheit zu lösen.“
    „Ich bin nicht der erste, der das versucht hat. Es klappt nicht.“
    „Warum nicht?“
    „Weil sie es nie gewollt hat. Weil das nicht ihr ursprüngliches Ziel war.“
    „Aber es könnte ihr Ziel werden. Wenn man ihr das nur begreiflich macht!“
    „Nein“, widersprach Onkel Patscho. „Verstehst du nicht? Sie kann noch so einsichtig sein, es steckt in ihr drin! Im Raben selbst. Es ist, als hätte ihr jemand einen Stempel aufgedrückt. Ein Muster in ihrer Beschaffenheit, das sie von Anfang an unterschieden hat von allen anderen Raben. Sie wiederholt es Leben für Leben, sie versucht, etwas einzulösen, das sie nicht einlösen kann. Es ist etwas schief gelaufen, als der Rabe entstanden ist. Solange der Rabe existiert, existiert auch dieser Fehler. Der Stempelabdruck bleibt bestehen, denn er ist Teil ihres

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