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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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Seins.“
    Der fremde Altja dachte über das Gehörte nach. Schließlich sagte er:
    „Das ist deine Vermutung.“
    „Es ist so. Ich beschäftige mich schon mein halbes Leben lang mit ihr. Es gefällt mir nicht, ein ungelöstes Problem einfach so abzugeben.“
    „Was schlägst du dann vor?“
    „Nun, wenn es stimmt, dass wir keine endgültige Tötungsmethode für Raben kennen“, und hier schaute Onkel Patscho den fremden Altja herausfordernd an, „dann weiß ich nicht weiter. Dann müssen wir diese Flöhe eben hüten, die wir uns selbst in den Pelz gesetzt haben. Bis in alle Ewigkeit.“
    „Was ist mit dem Jungen? Klappt das gut oder sollen wir etwas anderes probieren?“
    „Nein, das würde ich beibehalten. Sie dämmen sich gegenseitig ein.“
    „Gut“, sagte der fremde Altja. „Dann weißt du ja, was du zu tun hast. Gib mir Bescheid, wenn sie wieder aufgetaucht sind. Ich werde entsprechende Vorbereitungen treffen.“
    Onkel Patscho zögerte.
    „Ich habe noch eine letzte Idee.“
    „Ja?“
    „Wenn wir es nun wagen würden, die Erinnerungen kommen zu lassen. Wenn ihr bewusst werden würde, welche falsche Einstellung zu dieser Fehlbildung geführt hat …“
    Der fremde Altja schüttelte sehr verärgert den Kopf, woraufhin Onkel Patscho sofort verstummte.
    „Ausgerechnet sie! Niemand darf wissen, wie Raben gemacht werden! Willst du, dass sie es herausfindet? Wie all das andere, was einmal passiert ist? Nein. Im Übrigen glaube ich nicht, dass das etwas ändern würde. Glaubst du, ein Fluss würde aufhören, abwärts zu fließen, weil er weiß, warum er abwärts fließt? Nein. Seine Natur befiehlt es ihm und er wird weiterhin gehorchen. So ist auch ihre Natur für unseren Weg nicht gemacht. Es sei denn, wir lenken sie. Wir graben dem Fluss ein Bett, das es ihm erlaubt, so zu fließen, wie wir es für richtig halten. Ich werde tun, was ich kann. Sorg du dafür, dass sie so bald wie möglich vergisst.“
    Damit war alles besprochen und die Person, um die es ging, vernahm ihr Todesurteil. Zwar ließ Onkel Patscho sie laufen, doch als sie und ihr Freund zusammen flohen, kamen sie nicht weit. Sie rannten verbotenerweise über das Gelände eines Großgrundbesitzers, wurden von einem seiner Aufseher entdeckt und erschossen.
     
    Elsa saß wie festgefroren auf ihrem kalten Sitz im Klo. Jetzt hatte sie doch die Tür aufgemacht und viel zu viele Gedanken hereingelassen. Sie stellte fest, dass sie Altjas nicht ausstehen konnte, Carlos eingeschlossen. All das, was die Altjas besprochen hatten, machte sie kaum klüger bis auf eins: Sie hatte einen Webfehler. Es wäre hilfreich gewesen, wenn sie sich an die Entstehung dieses Webfehlers hätte erinnern können. Konnte sie aber nicht. Das Gespräch der Altjas mochte vor sechstausend Jahren stattgefunden haben, dem Gefühl nach, und gehörte damit zu einer der ältesten Erinnerungen, die sie hatte. Alles, was früher geschehen war, lag in vollkommener Finsternis. Bestimmt könnte sie eines Tages in die Finsternis vordringen, wenn sie erst mal achthundert Jahre alt wäre, so wie Carlos. Aber ihr blieben nur drei Wochen. Diese kurze Frist erlaubte keine Neugier. Elsa musste praktisch denken und so war das einzige, was sie hier und jetzt interessieren durfte, die Frage: Könnte ihr der Webfehler nützlich sein?
    Sie blieb sitzen, wo sie war, und schaute zu, wie die Kerze im Waschbecken immer kürzer wurde. Nach einigen Stunden war da nur noch ein Stummel und er schrumpfte so in sich zusammen, dass der Docht umkippte und im flüssigen Wachs ertrank. Damit wurde es stockdunkel. Es gab keinen Grund, das wusste Elsa, noch länger hier sitzenzubleiben. Wenig zuversichtlich, doch gewissenhaft, verließ sie Istland, schloss die entstandene Lücke hinter sich und ging in den Zwischenraum. Er hatte die Gestalt eines Tunnels, beleuchtet von einer Neonröhre, die schnurgerade an der Decke verlief, ohne jemals anzufangen oder aufzuhören. Elsa durchwanderte ihn, bis sie glaubte, ein geeignetes Ziel gefunden zu haben, das nicht bewacht war oder belauscht wurde. Durch einen Notausgang im Tunnel verließ sie den Zwischenraum und betrat Brisa, sorgfältig darauf bedacht, alle Lücken wieder zu schließen und an ihrem Ankunftsort unbemerkt zu bleiben. Es glückte ihr, weil Brisa so menschenleer war wie Kristjanstadt. Die Nacht war nur spärlich erleuchtet. Sie erkannte den Ort, an dem sie sich befand, kaum wieder. Es war die Aussichtsterrasse, auf der sie vor einem Jahr ihre Nächte

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