Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
umbringst.“
Elsa starrte Kamark an, den hageren, unglücklichen Kerl. Sie hatte nicht den Eindruck, dass er gerade Todesängste ausstand.
„Dann hat dich Tegga also verschont.“
„Hast du den wirklich erledigt?“, fragte Kamark.
„Mehr aus Versehen.“
„Gut.“
„Sinhine fand es nicht gut.“
„Noch besser.“
„Willst du etwas essen oder trinken?“, fragte Elsa, da ihr einfiel, dass Kamark die nächsten drei Tage nicht von Licht und Luft leben konnte.
„Ein Bier und was anderes als Fisch, das wäre nicht schlecht“, sagte Kamark nach kurzem Überlegen. „Ich hasse Fisch!“
Elsa gab die Bestellung an die anderen Ganduup weiter und die lieferten in kürzester Zeit ein Menü, das nicht annähernd auf den Tisch passte, an dem Elsa und Kamark saßen. Kamark wies die Ganduup an, die überzähligen Teller und Schüsseln auf den Boden zu stellen und nahm sich von allem reichlich. Es kostete Elsa einige Überwindung, während Kamarks Mahlzeit anwesend zu sein, doch die Vorstellung, alleine in der Festung herumzugeistern und sich vor der Zukunft zu fürchten, war so abschreckend, dass sie lieber einem fleischlichen Wesen bei seiner überaus abstoßenden Energieaufnahme zuschaute. Es vereinfachte die Sache, dass Kamark gut gelaunt zu erzählen begann, nachdem er die erste Bierflasche in einem Zug geleert hatte.
So erfuhr sie, dass Tegga schon immer dafür gesorgt hatte, dass Kamark es doppelt schwer hatte. Denn Tegga setzte Kamark heimlich für seine eigenen Zwecke ein und drohte ihm die Hölle auf Erden an, sollte er auch nur ein Wort davon verraten oder sich so dumm anstellen, dass er aufflog. So hatte Kamark für Tegga Schnüffel-, Schmuggel- und Botendienste übernehmen müssen, außerdem war er von Tegga über alle geheimen Aktionen von Gaiuper ausgequetscht worden, die dieser mit Kamarks Hilfe unternommen hatte. Davon gab es viele. Die Beschaffung der Verfahrenspläne war nur eine davon gewesen. Auf diese Weise hatte Tegga auch geahnt, dass Gaiuper dank Unass zu Rabenkräften gekommen war. Er traute Gaiuper keinen Augenblick, hoffte aber, über Gaiuper herauszufinden, wo sich das letzte Tor befand und wie man es durchqueren könnte. An dem Tag, als Tegga mit Gaiuper nach Feuersand aufbrach, hatte er eine winzige, aber sehr effektive Granate im Gepäck, mit deren Hilfe er Gaiuper im letzten Moment in Stücke sprengen wollte, kurz bevor dieser durch das Tor gehen wollte. Als Tegga von Gaiuper den Auftrag bekam, Unass und Kamark zu töten, führte er ihn natürlich nicht aus. Er begnügte sich damit, Unass zusammenzuschlagen, bis der sich stöhnend im Staub wälzte und irgendwann nicht mehr rühren konnte. Dann drückte er Kamark eine Waffe in die Hand, die wie ein Taschenrechner aussah, und befahl ihm, die Rautetaste zu drücken, falls Unass wider Erwarten doch noch auf die Beine kommen würde.
„Was passiert, wenn ich die Rautetaste drücke?“, hatte Kamark gefragt.
„Das wirst du schon sehen“, hatte Tegga geantwortet. „Aber mach vorher einen großen Schritt rückwärts.“
Wenn es nach Tegga gegangen wäre, so hätte er alle Geheimnisse über das Tor erfahren, Gaiuper getötet und Morawena geraubt. Er musste sich aber mit einem Teilerfolg zufrieden geben, da Gaiuper viel zu plötzlich entkam und Morawena lebend nicht zu haben war. Leben sollte sie aber, denn Sinhine und Tegga waren davon überzeugt, dass sie der einzig wahre Rabe war, der starke Rabe, der die Welten seit Jahrtausenden heimsuchte.
Immerhin brachte sich Gaiuper dann selbst zur Strecke und machte damit alle klüger und ratloser. Sinhine und Tegga konnten zwar Gaiupers Posten übernehmen, wie sie das schon lange geplant und herbeigesehnt hatten. Doch sie konnten ihrem Gefolge keinen Plan präsentieren, wie denn nun das große jenseitige Reich zu erreichen wäre, ohne dass der Rabe oder die Menschen, die ihm folgten, dabei das Zeitliche segneten. Sinhine war aber sehr gut darin, den Leuten plötzlich ein diesseitiges Reich zu versprechen, in dem die Rabendiener sich über alle anderen unwissenden Menschen auf Erden erheben würden. Sinhine erklärte auch, dass Morawena, der wahre Rabe, zu ihren wahren Dienern, also zu Sinhine und ihrem Gefolge, zurückkehren werde, um das Rabenreich auf Erden zu verwirklichen.
Tegga überließ das alles Sinhine. Er war angeschlagen, seit ihm klar geworden war, dass man nur als Ganduup lebendig durch das Tor kommen konnte. Ganduup zu werden, das kam für Tegga und Sinhine nie in Frage.
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