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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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deutlicher konnte sie den Fremden erkennen. Er trug eine dunkle Hose und ein feines Hemd, das mal weiß gewesen war. Er saß vornüber gebeugt, die Unterarme auf den Knien, die Hände leicht gefaltet, und starrte geradeaus. Wie ein junger Mann aus guten Kreisen, der aufgrund misslicher Umstände in eine weltumfassende Schlammpfütze gefallen war und nun über seine Zukunft nachdachte. Hätte er ärmlicher ausgesehen, hätte Amandis ihn ein paar Schritte früher erkannt. Doch Nikodemia wirkte erwachsener und stattlicher, als sie ihn in Erinnerung hatte. Es war aber auch gleichgültig, wie er wirkte, so oder so schlug ihr Herz ganz schnell vor Freude und Überraschung. Sie raffte ihr Kleid hoch und rannte die letzten Meter.
    „Niko!“, rief sie. „Niko, was machst du hier?“
    Er sah sie erstaunt an. Bestimmt war es ihm nicht recht, dass sie ihn umarmte und ihm einen Kuss auf die Wange drückte, aber sie musste es tun, weil er ihr wie ein alter Freund vorkam, und er ließ es sich gefallen.
    „Was haben sie mit dem Matrosenviertel gemacht?“, fragt e er, als sie sich neben ihn auf die Einfassung des Sees setzte. Er fragte es wie benommen, den Blick starr geradeaus gerichtet. Das veranlasste sie, ihre Hand auf seinen Arm zu legen, wie zum Trost.
    „Es brannte“, antwortete sie. „Anders als Dinge normalerweise brennen. Es glühte eine halbe Stunde und dann war alles weg. Auf diese Weise fraß sich das Feuer langsam nach oben. Ich glaube, die ganze Stadt wäre jetzt weg, wenn Elsa nicht gekommen wäre. Sie ist zu den Ganduup übergelaufen und danach sind sie abgezogen.“
    „Wie? Was hat sie gemacht?“ fragte Nikodemia, als hätte er etwas im Ohr, das ihn am Verstehen hinderte. Dabei wandte er den Kopf und sah Amandis an. Sie nahm daraufhin ihre Hand von seinem Arm. Die Geste war jetzt zu persönlich.
    „Übergelaufen ist vielleicht zu drastisch ausgedrückt“, sagte Amandis. „Sie hat sich ergeben. Das glaube ich auch nur. Sie hatte Anbar versprochen, es nicht zu tun. Dann kam sie her und hat mir gesagt, dass sie ihr Versprechen brechen muss.“
    „Warum?“
    „Das wollte sie mir nicht verraten.“
    „Ich dachte, die Möwen hätten sie erwischt“, sagte Nikodemia.
    „Haben sie auch, aber sie konnte sich befreien. Danach wurde das Verfahren verboten.“
    „Richtig verboten?“
    „Ja. Seitdem versuchen sie euch zu töten statt zu fangen.“
    Er nickte langsam. Amandis wusste nicht, ob es richtig zu ihm durchgedrungen war, was sie gesagt hatte. Er wirkte geistesabwesend.
    „Wie geht es Morawena?“, fragte sie.
    „Gut“, sagte er.
    „Wie schön!“
    „Eigentlich weiß ich gar nicht, wie es ihr geht. Vor ein, zwei Stunden ging es ihr gut. Aber sie wollte nach Hagl.“
    „Oh!“
    „Oh?“
    „Hagl gibt es nicht mehr“, sagte Amandis.
    „Na, toll.“
    Nikodemia schüttelte den Kopf, dann fixierte er einen Punkt zwischen Brisas Stadtmauer und dem Nirgendwo.
    „Hast du Hunger?“, fragte Amandis. „Ich kann dir ein Frühstück machen.“
    „Danke, ich hab erst ein Achtgängemenü hinter mir.“
    „Acht Gänge! Dann brauchst du einen Nokkakau. Mein Nokkakau ist sehr gut!“
    Er reagierte nicht. Amandis machte das nichts aus. Sie saß neben ihm und wartete. Nach einer ziemlich langen Zeit schaute er sie noch einmal an. Vielleicht zum ersten Mal richtig, seit sie hier saß. Denn er musterte sie genau und sie fuhr sich wie ertappt über ihren ungekämmten Wuschelkopf.
    „Das Beben“, erklärte sie, „ich musste ganz schnell aus dem Haus rennen.“
    Er war bestimmt um mehrere Jahre älter geworden, im letzten Jahr. In den schwarzen Augen hatte sich eine Menge angesammelt. Seine Augen waren ganz anders als die von Elsa. Nicht leer und beunruhigend, sondern voll von verdichtetem Leben.
    „Hier gibt’s keine Möwen mehr, oder?“, fragte er.
    „Nein, gerade nicht.“
    „Dann nehme ich den Nokkakau“, sagte er. „Das ist besser als nichts.“
     
    HOPPIER durchwühlte mit seinem gesunden Arm einen Keller in Fährwest . Es war der zehnte Keller in dieser Nacht und er war hundemüde. Seine beiden Komplizen hatten schon prall gefüllte Säcke auf dem Rücken, doch Hoppier war heute glücklos. Er fand nur Plunder, nichts, wofür es sich gelohnt hätte, dass man es die ganze Zeit durch die Gegend schleppte. Vielleicht war er zu anspruchsvoll. Er wollte Geld finden oder Schmuck oder eine gefüllte Speisekammer. Nicht nur Blechnäpfe und alte Schuhe.
    Sie wurden vom Beben überrascht. Erst flackerten

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