Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
es nicht. Nach einem halben Jahr im Rat bewarb er sich bei einer Außengängerschule, ohne seinen Großvater davon in Kenntnis zu setzen. Er wurde genommen und Torben tobte. Du musst wissen, dass es für Kinder aus reichen und angesehenen Familien unüblich ist, eine Außengängerschule zu besuchen. Die Ausbildung gilt als gefährlich, obwohl sie es nicht ist. Drei Jahre lang wird man an allen möglichen Waffen ausgebildet, lernt sich anzupassen, zu informieren, zu tarnen, einzugreifen, ohne gesehen zu werden. Man wird an Orte geschickt, an denen aus Sicht der Hochweltler Mord und Totschlag herrschen. Tatsächlich leben wir Außengänger aber weit behüteter als die Menschen, die wir beobachten. Die wenigsten von uns kommen um. Wenn einer von uns ernsthaft erkrankt oder verletzt wird, dann schleppen wir uns zum nächsten Tor und werden in der heilen Heimatwelt verarztet und aufgepäppelt. Wird man als gewöhnlicher Sommerhalter geboren, hat man es weniger komfortabel. Doch für die Hochweltler, die kaum Gefahren kennen, ist ein Außengänger ein lebensmüder Abenteurer.
Stammt man aus einer wohlhabenden Familie, kann man es zum einflussreichen Politiker bringen, ohne die Hochwelten jemals verlassen zu haben. So läuft es seit Jahrhunderten. Nur Männer und Frauen wie Anbars Vater, die einfach und namenlos aufwachsen, sind auf Verdienste in unaufgeklärten Welten angewiesen, um aufzusteigen. Außengänger werden bewundert, ihre Erfahrungen geschätzt. Doch in der regierenden Mehrheit sind sie selten anzutreffen. Menschen wie Torben Antur sichern ihre Macht, indem sie sich mit ihresgleichen umgeben. Mit schönen, behütet aufgewachsenen Männern und Frauen, die gut reden können und hohe Ziele ausrufen, aber noch nie die Zwiespältigkeit des Lebens geschmeckt haben. Im Grunde müsste jeder Politiker, der in Antolia oder den anderen Hochwelten etwas zu sagen hat, als Außengänger gedient haben. Das ist eine nahe liegende Idee, die jedoch in der regierenden Mehrheit niemals Anklang finden wird.“
„Es sei denn, es gibt eine neue Mehrheit?“
„Das wäre sicher ein wichtiges politisches Ziel der neuen Mehrheit: Die Antolianer wieder mit den unaufgeklärten Welten vertraut zu machen und die Außengänger an allen Entscheidungen zu beteiligen.“
„Ist er trotzdem auf die Außengängerschule gegangen?“
„Torben und Anbars Mutter waren strikt dagegen. Doch Anbars Vater setzte sich für den Sohn ein. Er machte Torben die Ausbildung schmackhaft. Wenn Anbar erst mal drei Jahre Schule und zwei Jahre Dienst hinter sich hätte – wer könnte ihm dann noch etwas streitig machen? Er hätte dann so viele Lorbeeren gesammelt, dass sein Anspruch auf Torbens Nachfolge so sicher wäre wie der Sonnenaufgang am Morgen. Hierin hatte sich Anbars Vater allerdings getäuscht, aber auf die Richtigkeit seiner Voraussage kam es ihm sowieso nicht an. Er wollte nur, dass sein Sohn seinen Willen bekam und dem Rat entfliehen konnte, der ihm sichtlich aufs Gemüt schlug.
Torben gab schließlich nach und Anbar verschwand für viele Jahre. Drei Jahre dauert die Ausbildung, zwei Jahre muss man mindestens dienen, damit man als Außengänger anerkannt wird. Als diese zwei Jahre Dienst um waren, verpflichtete sich Anbar für ein weiteres Jahr – ohne Torbens Segen. Ich dachte damals, dass es so weitergehen würde. Dass Anbar sich Jahr für Jahr neu verpflichten würde, damit er nie wieder in den verhassten Rat zurückkehren müsste. Aber ich hatte mich getäuscht. Nach sechs Jahren kam er wieder, wurde natürlich sofort in den Rat gewählt und beteiligte sich brav an der Regierung. Nun mit weit mehr Verständnis von der Sache als zu Beginn seiner Laufbahn. Torben war höchst zufrieden. Bei etlichen Gelegenheiten zeigte er sich einträchtig mit dem Enkel und ließ sich mit ihm ablichten. Die lange Abwesenheit hatte Anbars Popularität nämlich nicht geschadet, sondern sie auf unerträgliche Weise gesteigert. Hatten die Leute vorher schon einen Narren an ihrem Helden gefressen, so glaubten sie jetzt, er habe in all den Jahren besonders gefährliche Abenteuer in den minderen Welten bestanden. Im Grunde war das Theater unerträglich, aber ich und viele meiner Gesinnungsfreunde trösteten sich damit, dass unser guter Anbar seinen Rückenwind vielleicht nutzen könnte, um in der Mehrheit ein paar Steine ins Rollen zu bringen.
Doch die Steine, deren größter Torben war, machten sich schön breit und schwer und rückten keinen Zentimeter von ihrem
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