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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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übernehmen sollte, den Raben einzufangen und auszuliefern. Da niemand an den Fähigkeiten des Grubenmanns zweifelte, war man gleich hellauf begeistert. Anbar wurde der Job angetragen und damit saß er in der Falle. Hätte er es abgelehnt, seine Pflicht zu tun, dann hätte er innerhalb der Mehrheit jeglichen Einfluss verloren. Das Volk hätte seine Entscheidung nicht nachvollziehen können und er wäre auf dem Abstellgleis gelandet. Ein anderer wäre an seiner Stelle losgezogen und hätte die Aufgabe gewissenhaft zu Ende geführt – hätte also den heranwachsenden Raben für immer getötet.“
    Elsa hörte zu. So wie damals schon, als Romer ihr zum ersten Mal von ihrer gescheiterten Hinrichtung erzählt hatte, wurde ihr kalt beim bloßen Gedanken daran.
    „Wie du weißt, nahm er den Auftrag an. Er legte einen Eid darauf ab, dass er ihn nach bestem Wissen und Gewissen durchführen werde, und beging mit voller Absicht Hochverrat. Ich weiß nicht, ob es ein Geniestreich oder für Anbar typischer Leichtsinn war, dich ausgerechnet in Sommerhalt zu verstecken. Natürlich rechnete niemand mit dieser Möglichkeit. Sie alle dachten, er hätte dich zum Tor gebracht und von dort in irgendeine entlegene Welt. Aber er verwischte deine Spuren und schickte dich in Sommerhalt auf die Reise. Geplant war, dass dich ein Freund von ihm an einem bestimmten Ort wieder einsammelt. Für den Fall, dass du dich verwandelst, gaben sie dir einen Anhänger mit, mit dessen Hilfe dieser Freund dich wiedererkannt hätte. Aber das ging gründlich schief, du bist nie am Zielort angekommen und hast dich Wochen später ausgerechnet als Amandis nach Brisa geschlichen. Weil niemand mit dieser haarsträubenden Möglichkeit rechnete und du dich als Amandis wirklich geschickt angestellt hast, bist du auch nicht aufgeflogen. Sogar ich habe es am Anfang nicht gemerkt. Aber allmählich ist es mir gedämmert und ich gab meinen Verdacht an Anbar weiter.
    Nun ja, du weißt, wie alles weitergegangen ist. Aber du weißt nicht, was unterdessen in Antolia passiert ist: Statt so zu tun, als wärst du ihm dummerweise durch die Lappen gegangen, gab Anbar offen zu, den Auftrag absichtlich nicht ausgeführt zu haben. Jedem anderen hätte diese Aussage das Genick gebrochen. Doch das Volk liebte ihn ja so sehr und daher hörten sie zu, als er im Rat erklärte, dass er keine Kinder töte und schon gar nicht im Namen Antolias. Er nutzte die Aufmerksamkeit und den Schock, den er ausgelöst hatte, um weit auszuholen und die Hochwelten in einer flammenden Rede darauf aufmerksam zu machen, dass sie in Gefahr seien, ihre Werte zu verraten. Es hätte schief gehen können, aber es gelang ihm, sich als denjenigen zu verkaufen, der bereitwillig seine Zukunft opfert, um Antolias wahre Werte zu retten. Danach folgte ein Prozess wegen Hochverrats. Er plädierte auf Gewissensentscheidung und wurde freigesprochen.“
    „Was wäre passiert, wenn er nicht freigesprochen worden wäre?“
    „Na ja, überlebt hätte er es. In den Hochwelten gibt es keine Todesstrafe und auch im Gefängnis hätte er nicht schmoren müssen. Aber sie hätten ihm alle Rechte nehmen können, unter anderem das Recht, Antolia zu verlassen. Das wäre sehr schlimm für ihn gewesen. Aber er musste so ein Urteil nicht ernsthaft fürchten. Dafür war er zu beliebt. Man glaubte ihm, dass er aus Idealismus gehandelt hatte, was ja auch größtenteils stimmt, wenn auch ein bisschen politische Berechnung und vor allem Rachegelüste gegenüber Torben eine Rolle gespielt haben dürften. Er wurde also freigesprochen und verließ die Mehrheit, bevor sie ihn rauswerfen konnte. Einige Monate später gründete er eine eigene Partei.“
    „Eine eigene Partei?“, fragte Elsa. „Mir hat er erzählt, er sei Mitglied einer Minderheit.“
    „Mitglied seiner Partei ist er ja. Eine Minderheit ist es auch, allerdings eine, die von Anfang an sehr viel größer und einflussreicher war als alle anderen Minderheiten der letzten sechshundert Jahre. Aber nicht, weil er das Richtige will und sagt, sondern weil er der Grubenmann ist. Es gab etliche vor ihm, die etwas ändern wollten, weil sie sich Sorgen um Antolia gemacht haben. Es gab und gibt umsichtigere Politiker als ihn, Legard ist nur einer von ihnen. Aber die Hochwelten wollen eine strahlende Figur, der sie folgen. Eine Idee von einem Helden. Was er sagt, hat ein anderes Gewicht. Kein anderer kann seine Stelle einnehmen, denn kein anderer ist in den Märchenbüchern abgebildet und als

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