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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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ein Schlafzimmer, teils ein Wohnraum mit Sesseln und Stühlen. Elsa wusste nicht, woran es lag, aber der Raum besaß einen eigenen Charakter. Er war freundlich und warm, gleichzeitig etwas fremd, als sei er Sommerhalt entrückt. Es stand nicht viel herum, aber was dort stand, das waren faszinierend schöne Gegenstände, deren Sinn und Zweck Elsa nicht immer verstand. Einer sah aus wie ein Mittelding aus Kompass, Globus und Glocke. Er war nur aus weich poliertem Holz und silbrigem Metall gefertigt und stand auf dem Nachtschrank.
    „Ein Zeitmesser“, erklärte Amandis, die Elsas Blick gefolgt war. „Eigentlich brauchte sie ihn nicht, sie wusste immer sehr gut, wann wo welche Zeit war. Aber sie hat ihn geliebt. Sagt Anbar. Ich kann mich nicht an sie erinnern, ich war ja erst zwei, als sie starb.“
    Amandis ging an Elsa vorbei zu einem Sekretär, dessen Schublade sie aufzog. Dabei machte die Schublade nicht das geringste Geräusch. Amandis zog einen Bilderrahmen hervor.
    „Hier, so sah sie aus!“
    Elsa sah ein Foto, das anders aussah als die Fotos, die sie kannte. Zwar war es flach, doch es wirkte tiefer und echter als die Fotos, die man in Istland mit Fotoapparaten schoss. Als seien nicht nur Licht und Schatten darauf festgehalten, sondern auch die echte Zeit, das Wetter dieses bestimmten Tages, der Wind, die Gerüche, das Vorher und Nachher, ja sogar die Gedanken der abgebildeten Person. In diesem Fall lächelte Lian Reling. Sie schaute nicht in die Kamera hinein, sondern seitlich an dieser vorbei. Ganz sicher hatte sie jemanden angelächelt, der zurückgelächelt hatte. Lian Relings Augen leuchteten und spiegelten einen Tag wider, der sehr friedlich und glücklich gewesen sein musste. Sie hatte rotblondes Haar, genauso wie Amandis, nur keine Locken. Sie sah älter und selbstsicherer aus, aber davon abgesehen war die Ähnlichkeit von Mutter und Tochter erstaunlich. Lian Reling hatte einen festen Blick, man konnte ihr nichts vormachen, darin glich sie wiederum Sistra und Anbar. Sie schaute genau hin, aber was sie an diesem Tag gesehen hatte, das hatte ihr gefallen. Etwas von diesem Licht der Vergangenheit wohnte auch in Lians Lieblingszimmer. Es war ein Ort der Geborgenheit.
    „Sie sieht dir sehr ähnlich“, sagte Elsa und gab Amandis das Bild zurück.
    „Ja“, sagte Amandis, „das sagen alle. Es ist aber auch das einzige, was ich kann: ihr ähnlich sehen.“
    „Ich hoffe, du wirst eines Tages ein genauso glückliches Gesicht machen.“
    Amandis legte das Bild in die Schublade zurück.
    „Kann ich mir nicht vorstellen. Ich werde griesgrämig bleiben und dafür wesentlich älter werden als sie.“
    „Du bist nicht griesgrämig“, sagte Elsa.
    „Soll ich dir noch etwas zu essen oder zu trinken bringen? Das Bad ist dort hinter der dunklen Tür.“
    „Danke, ich brauche nichts.“
    Amandis machte drei Schritte in Richtung Flur, dann blieb sie stehen und drehte sich noch einmal nach Elsa um.
    „Ich bin in diesem Zimmer zur Welt gekommen!“
    „Hier?“
    „Ja“, sagte Amandis strahlend, „und stell dir vor, nachdem die Rabendiener dieses Haus überfallen hatten, war fast alles kaputt – nur dieses Zimmer ist unversehrt geblieben. Als hätten sie es übersehen. Verrückt, nicht wahr?“
    Elsa nickte.
    „Wurde Ulissa auch hier geboren?“
    „Nein. Sie kam sehr plötzlich. Meine Mutter konnte sich gerade noch vom Garten ins Haus schleppen. Nun schlaf gut. Wer weiß, wann und wo ihr euch wieder ausruhen könnt.“
    Amandis schloss die Tür hinter sich. Die Lampe, die sie mitgebracht hatte, stand immer noch neben dem Zeitmesser auf dem Nachtschrank. Elsa schlug die Bettdecke zurück und überlegte noch, ob sie sich ausziehen sollte oder besser nicht, um jederzeit fluchtbereit zu sein, da fiel ihr etwas ein. Sie lief zur Tür und riss sie auf. Im Flur war es stockdunkel und von Amandis war nichts mehr zu sehen.
    „Amandis?“, rief Elsa laut, wusste aber nicht, ob sie zum Terrassenzimmer empor oder ins Treppenhaus hinabrufen sollte. „Amandis, hörst du mich?“
    „Ich bin hier“, sagte eine Stimme in nächster Nähe. Elsa erkannte einen Schatten, der sich langsam erhob. Amandis hatte auf der Treppe im Dunkeln gesessen. „Was ist denn?“
    „Kannst du mir ein rotes Tuch geben? Ich habe Niko gesagt, dass ich eins an eurem Tor befestige, wenn die Luft rein ist.“
    „Leg dich ruhig schlafen“, sagte Amandis. „Ich binde ein Tuch am Tor fest und eins an unserer Haustür. Damit er es auch bestimmt

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