Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
ihn zur Ehrlichkeit. Erst jammerte er mir vor, dass die Frau, die er wahrhaft liebte, verschwunden sei. Dass ich sie ihm nur vorgespielt hätte, um sie ihm dann auf grausamste Weise zu entreißen. Dann sagte er, es sei ihm am liebsten, wenn ich mich in Hagl nie mehr blicken ließe. Ich solle doch in eine dieser anderen Welten gehen, die ich erwähnt hätte, und Sommerhalt in Frieden lassen. Am nächsten Morgen habe ich mein Versprechen gebrochen.“
„Du hast beschlossen, ihn umzubringen?“
„Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich es getan habe. Es war der Morgen, an dem alles noch hätte gut werden können. Die Wahrheit stand mir so klar vor Augen: nämlich dass ich mich getäuscht hatte. Ich hatte mich in den Falschen verliebt. Leider liebte ich ihn immer noch, ich konnte einfach nicht aufhören damit. Dabei wusste ich jetzt, dass Nada der Stärkere von beiden war. Mein bester Freund, dem ich immer alles Mögliche anvertraut hatte, auch die kleinsten, persönlichen Albernheiten, die ich niemals vor Gerard ausgebreitet hätte. Es war unvorstellbar, dass Nada sich ins Hemd machen würde, nur weil jemand fliegen konnte. Die Wahrheit hat ihn nie erschreckt. Dass ich seinen Bruder ihm vorgezogen habe, hat er hingenommen. Er hat mich deswegen kein bisschen weniger geliebt.“
Sie war sehr bewegt. Elsa bemerkte die starke Spannung in Morawenas Körper. Es sah so aus, als ob sie gegen einen Dammbruch ankämpfte. Elsa suchte nach einer Frage, die weniger ernst war als der mörderische Rest der Geschichte.
„Du hast ihn immer Saffanes genannt? Obwohl er den Namen nicht ausstehen konnte?“
„Oh ja, den hat er gehasst“, sagte Morawena. Tatsächlich heiterte sie diese Erinnerung auf. „Ich bin keine nette Person, ich tue gerne das, was die Leute auf die Palme bringt. Also habe ich ihn nur noch Saffanes genannt. Wenn ich ihn angesprochen habe. Aber wenn ich an ihn gedacht habe, war er immer Nada für mich. Das habe ich ihm nie gesagt. Er muss immer noch denken, dass er Saffanes für mich ist. Wenn er den Namen heute wieder benutzt, obwohl er ihn doch früher aus seinem Namenszug verbannt hatte, dann kann das nur bedeuten, dass er es meinetwegen tut.“
„Dann hast du den Namen gelesen? In ‚Bolhins Reisen’?“
„Ja, ich habe ihn gelesen. Es war weltbewegend wichtig für mich. Denn ich bin nicht so abweisend der Macht gegenüber, wie du es anscheinend bist. Als mir die Ganduup eingeflüstert haben, dass ich die Welten hinter mir lassen und meine wahre Bestimmung finden könnte, da fand ich das sehr verlockend. Wenn ich das Buch nicht bekommen hätte und dadurch nicht sicher gewusst hätte, dass Nada mir verziehen hat, dass er mich immer noch liebt, dann hätte es passieren können, dass ich auf alle Welten und Menschen pfeife und meine Hand nach der Erlösung ausstrecke. Aber mit dem Buch in der Hand war das unmöglich. Nadas Name hat mich daran erinnert, dass es etwas Gutes gibt, dem ich treu bleiben muss. Meine Mutter war so eine gute Person, der ich etwas schuldig bin. Mein Vater auch. Mittlerweile weiß ich, dass auch Anbar und Sistra mich nie aufgegeben haben. Aber am meisten zählt Nada. Seine Gegenwart in meinen Erinnerungen hat mich durch jeden einzelnen Tag gebracht, seit ich den Käfig verlassen habe. In Hagl war mir nie bewusst, wie wohl und wie gut ich mich in seiner Nähe gefühlt habe. Er war die Sonne, die immer für mich schien, und ich wusste gar nicht, wie es ist, sie zu vermissen. Nach so vielen Jahren im Schatten kam sein Zeichen, der Name in diesem Buch, und seit ich diesen Namen gelesen habe, kann ich nicht mehr schlecht werden. So lange ich mich an ihn erinnern kann, werde ich menschlich bleiben. Deswegen darf ich nicht sterben, denn dann würde ich vergessen, und deswegen darf ich mich auch nicht den Ausgleichern stellen, denn das würde sein Herz brechen.“
Elsa schwieg und sagte nicht, was sie dachte oder gerne noch gefragt hätte, weil es Morawena womöglich ihre letzte Fassung kostete. Obwohl es sie doch sehr interessierte, wie der Mord passiert war. Während sie dort saßen, riss der Himmel auf und ein Stückchen Blau kam zum Vorschein.
„Wenn es keinen Krieg gäbe und niemand dich verfolgen würde“, sagte Elsa, als Minuten später ein wenig Sonnenlicht über die Wiese flog, „was würdest du tun?“
„Es wird nie so sein, das weißt du.“
„Aber es wäre doch schade, wenn du ihn nie mehr wiedersiehst.“
„Erzähl mir nicht, was schade ist!“, fuhr Morawena
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