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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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sie an. „Ich möchte mal wissen, was in deinem Hirn vorgeht, dass du Verabredungen mit Anbar triffst! Ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, ihn um so etwas zu bitten. Ich verstehe wirklich nicht, was ihn dazu bringt, sich auf so etwas Sinnloses und Gefährliches einzulassen!“
    „Es ist nicht seine Schuld. Er musste es mir versprechen, um mich loszuwerden.“
    „Es gibt andere Mittel und Wege, jemanden loszuwerden.“
    „Ja, aber er darf mich doch nicht entmutigen. Raben muss man bei Laune halten, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Niemand weiß das besser als er.“
    „Das stimmt wohl“, sagte Morawena versöhnlich.
    „Außerdem wird er nicht selbst kommen“, fügte Elsa hinzu. „Das hat er mir schon angedroht.“
    Morawena sagte nichts. Sie trank ihre Limonade leer und war in Gedanken versunken, bis ihr plötzlich etwas einfiel.
    „Bist du wach?“, fragte sie erschrocken.
    „Ja“, antwortete Elsa. Sie war wach, weil sie an Anbar gedacht hatte und an die Situation, in der sie ihm den Treffpunkt abgerungen hatte.
    „Ich bin so eigensinnig“, sagte Morawena. „Immer denke ich nur an mich. Fast hätte ich vergessen, dich bei Verstand zu halten. Gibt es noch etwas an meinem verkorksten Leben, das dich interessiert?“
    Elsa interessierte sich sehr für die näheren Umstände von Gerarads Ableben. Aber sie wählte lieber ein harmloseres Thema.
    „Haben die Möwen nie bemerkt, dass du keine Fäden hast? Ich meine diese Dinger, die um sie herumwehen, wenn man in den Zwischenraum schaut?“
    „Sie können nicht in den Zwischenraum schauen, deswegen haben sie es nicht gesehen. Sie nehmen die Kräfte nur in ihrer Wirkung wahr. Natürlich fanden sie es merkwürdig, dass sich meine Kräfte nicht mit ihren vertrugen. Offensichtlich konnte ich meine Fäden, wie du sie nennst, nicht mit den ihren vertäuen, so wie es die Möwen normalerweise tun, um tiefer in den Zwischenraum vorzudringen. Wenn ich es angeblich versuchte, litt ich an Nebenwirkungen, die den Verlust all meiner Kräfte zur Folge hatten. Aber es galt nur als Unregelmäßigkeit und niemand schöpfte Verdacht. Das habe ich meiner Mutter zu verdanken, die es von Anfang an so hinstellte. Als ob es eine gängige Abweichung vom Normalen sei.“
    „Deine Mutter hat es gewusst?“
    „Drei Jahre nach Sistras Geburt erlitt sie eine Fehlgeburt, die sie sehr betrübte. Ein paar Monate später lag trotzdem ein Baby in der Wiege. Alle, auch sie selbst, glaubten, es handle sich um das Kind, mit dem sie schwanger gewesen war. Während sie mich stillte, kam ihr eine plötzliche Erinnerung. Eine Erinnerung daran, wie sie auf dem Boden ihres Zimmers gelegen und mit den Fäusten darauf eingeschlagen hatte aus Kummer um das verlorene Kind. Es war ein Bild, das sie verstörte, sich aber gleich wieder in Luft auflösen wollte. Sie ließ es nicht geschehen. Sie ließ sich auf die unangenehmen Gefühle ein, die damit einhergingen, und grub weiter nach ähnlichen Bildern. Sie hielt den Widerspruch aus und begann etwas zu ahnen. Es wäre leichter gewesen, die Vorboten des Unglücks abzuweisen und an eine unkomplizierte Wirklichkeit zu glauben. Aber das war nicht ihre Art. Sie machte sich mit dem Gedanken vertraut, dass das Kind in ihren Armen womöglich nicht ihr richtiges Kind war und dass es sich in ein Ungeheuer verwandeln könnte, eines Tages. Erst sprach sie mit niemandem darüber, später weihte sie meinen Vater ein. Vor diesem Schritt hatte sie große Angst, denn als Anführer der Möwen war er mein schlimmster Feind. Aber es ging gut. Längst hatte er mich so lieb gewonnen, dass er mich zu schützen versuchte, genauso wie sie.
    Ich war erst sieben Jahre alt, als sie mich mitten in der Nacht auf dem Dach unseres Hauses entdeckte, schlafend und mit den Armen rudernd. Das versetzte sie in Angst. Denn ich reifte viel früher zum Raben, als das normalerweise der Fall war. Sie wusste nicht, wie sie mich vor Entdeckung schützen und gleichzeitig beaufsichtigen konnte. Sie kam sc hließlich auf die Idee, mich in Schloss Hagl aufwachsen zu lassen, fern von Brisa, wo zu viele Möwen die Augen offenhielten. Der König hatte mich in sein Herz geschlossen und so war es nicht schwer, ihn davon zu überzeugen, dass es doch für meine Entwicklung sehr vorteilhaft wäre, gemeinsam mit seinen Söhnen unterrichtet zu werden und in guter Gesellschaft aufzuwachsen. So zog ich mit acht Jahren um, was ich nicht schlimm fand, zumal der Rest meiner Familie oft zu Besuch

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