Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)
sagte sie, hakte sich bei Robert Sovulat unter und drängte ihn in Richtung seines Arbeitszimmers. Man sah sich nach ihnen um und Robert war widerstrebend, hätte er sich doch von den Räumen im oberen Stockwerk mehr versprochen.
„Carmen ist nicht hier?“, fragte sie.
„Sie wollte eigentlich kommen, aber bisher vermissen wir sie.“
„Ach ja?“, fragte Elsa, blieb stehen und starrte ihn beunruhigt an.
„Es wäre ja nicht das erste Mal, dass sie macht, was sie will.“
Robert Sovulats Stimmung wurde hörbar schlechter. Es behagte ihm gar nicht, wie Elsa aussah und wie die Leute schauten. Sie zog ihn weiter, schlüpfte ins Arbeitszimmer und durchquerte es in wenigen Schritten. Er schloss die Tür hinter ihnen.
„Was ist nun?“, fragte er ungeduldig. „Was wolltest du mit mir bereden?“
Sie sagte nichts, sondern zog einen Stuhl vor die Wand, stieg darauf und riss beide Säbel von der Wand. Sie waren so scharf und so gut in Schuss, wie sie sie in Erinnerung hatte. Sie waren leicht und die Griffe lagen ausgezeichnet in ihren Händen.
„Was machst du da?“, schrie Robert. „Lass sie hängen. Lass sie fallen! Was willst du denn damit?“
Elsa kümmerte sich nicht um ihn, sie lief zum nächsten Fenster und schaute hinaus. Das sah gut aus. Von hier aus könnte sie springen. Sie legte die Säbel auf die Fensterbank, öffnete das Fenster und setzte sich in den Rahmen.
„Antonia, um Gottes Willen! Hat dir jemand etwas angetan? Soll ich das für dich in Ordnung bringen? Du kannst doch mit den Dingern gar nicht umgehen!“
Sie nahm ihre Säbel wieder auf, stellte sich hin und maß noch einmal die Höhe vom Fensterbrett bis zum Dach des Wintergartens. Der Wind wehte ihr entgegen, einen Säbel hatte sie rechts, einen links. Sie wandte sich noch einmal um. Robert sah erschüttert aus. Mit weit aufgerissenen Augen stand er da.
„Danke, Robert“, sagte sie, „ich weiß dein Angebot zu schätzen. Aber glaub mir, diese Angelegenheit muss ich selbst regeln!“
Dann sprang sie. Es war ganz einfach. Sie lief über den Wintergarten hinweg und ließ sich auf der anderen Seite ins Gras fallen. Robert stand am Fenster und brüllte.
„Tu das nicht!“, schrie er. „Du stürzt dich ins Unglück.“
Sie drehte sich nicht um. Er würde sie nie wiedersehen.
KAPITEL 34
Elsa prüfte die Umgebung. Es war Nacht, doch in Fonorr brannten viele Straßenlaternen. Das, was Elsa suchte, doch nicht zu finden hoffte, hätte sie auch in der schwärzesten Hölle auf den ersten Blick erkannt: Möwenfäden. Es war nicht so, dass sie leuchteten, es kam Elsa nur so vor, da sie im Zwischenraum flimmerten und scharf hervortraten, wenn sie ihre Aufmerksamkeit darauf richtete. Aber jetzt, zwischen dem Flussufer und den parkähnlichen Gärten auf der anderen Seite, entdeckte sie nichts Verdächtiges. Sie hielt sich trotzdem im Schatten und bewegte sich so flink und unauffällig wie möglich. Ihr Ziel war der Skulpturengarten, der um diese Nachtzeit abgeschlossen war, doch das würde Morawena nicht daran hindern, ihn zu betreten. Er war ein Ort, den sie besonders mochte und den sie aufsuchte, wenn sie niedergeschlagen war. Da Carmen – so hieß Morawena in Fonorr – nicht bei den Sovulats aufgekreuzt war, nahm Elsa an, dass sie zwischen weißen Engeln und stolzen Reitern auf und ab marschierte, um ihre Melancholie loszuwerden. Hoffentlich. Wenn sie dort nicht war, dann wusste Elsa nicht weiter.
Als sie die hohen Hecken erreichte, die den Garten umgaben, hörte sie Schritte. Es konnten die Schritte aller möglichen Menschen sein, denn in Fonorr gab es auch nachts viele Spaziergänger. Doch Elsa wollte niemandem begegnen. Sie kletterte über die Mauer und zwängte sich an einer geeigneten Stelle durch das Grün, wobei ihr einer der Säbel gute Dienste leiste. Der Garten selbst war labyrinthisch angelegt. Hier eine grüne Mauer, dort ein Häuschen aus Efeu und mitten darin die schönen, kalten Körper der tänzelnden Damen und der muskulösen Herren aus Stein. Jetzt, im Sternenlicht, sahen sie gar nicht tot aus, sondern beseelt. Als lauschten sie den Schritten der Eindringlinge. Zwei waren es mindestens. Elsa hörte, wie der Kies knirschte. Dann war es still.
Sie drehte sich nach allen Seiten um, schaute in den Zwischenraum, lauschte. Sie war sich nicht sicher. Ihr Gefühl sagte ihr, dass Gefahr im Anzug war, es mochten aber auch ihre Nerven sein, die angesichts der vielen Hecken und unübersichtlichen Winkel des Gartens arg
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